treue Freundschaft für sie, und auch sie schien froh zu sein, die dünne Scheidewand der bisherigen Ironie zwischen uns fallen zu lassen und einen ihrem künftigen Hause ergebenen Vetter aus mir zu machen. Sie unterhielt sich fortwährend und angelegentlich mit mir und veranlaßte den Mül¬ ler, an dem vertraulichen Geplauder Theil zu nehmen. Das that er denn auch mit freund¬ schaftlicher Kraft, wir wurden herzlicher und of¬ fener gegen einander, kurz, ich glaubte endlich zu meinem großen Troste zu entdecken, daß man mich achtete und werth hielt. Zutraulich bei die¬ sem hübschen Paare stehend, sah ich nun ruhiger über die Versammlung hin und rückte endlich ein Stück weiter, um mich bei dem Schulmeister und seiner Tochter einzufinden. Trotz des Verkomm¬ nisses in der Gartenlaube war unser Verkehr nicht sehr fortgeschritten, wir wechselten kaum einige Worte, im Uebrigen blieben wir still und zufrieden in unserer gegenseitigen Nähe, und selbst heute hatten wir fast Nichts unmittelbar zu ein¬ ander gesprochen. Als ich mich nachlässig hinter Anna's Stuhl lehnte, bot mir der Schulmeister,
treue Freundſchaft fuͤr ſie, und auch ſie ſchien froh zu ſein, die duͤnne Scheidewand der bisherigen Ironie zwiſchen uns fallen zu laſſen und einen ihrem kuͤnftigen Hauſe ergebenen Vetter aus mir zu machen. Sie unterhielt ſich fortwaͤhrend und angelegentlich mit mir und veranlaßte den Muͤl¬ ler, an dem vertraulichen Geplauder Theil zu nehmen. Das that er denn auch mit freund¬ ſchaftlicher Kraft, wir wurden herzlicher und of¬ fener gegen einander, kurz, ich glaubte endlich zu meinem großen Troſte zu entdecken, daß man mich achtete und werth hielt. Zutraulich bei die¬ ſem huͤbſchen Paare ſtehend, ſah ich nun ruhiger uͤber die Verſammlung hin und ruͤckte endlich ein Stuͤck weiter, um mich bei dem Schulmeiſter und ſeiner Tochter einzufinden. Trotz des Verkomm¬ niſſes in der Gartenlaube war unſer Verkehr nicht ſehr fortgeſchritten, wir wechſelten kaum einige Worte, im Uebrigen blieben wir ſtill und zufrieden in unſerer gegenſeitigen Naͤhe, und ſelbſt heute hatten wir faſt Nichts unmittelbar zu ein¬ ander geſprochen. Als ich mich nachlaͤſſig hinter Anna's Stuhl lehnte, bot mir der Schulmeiſter,
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treue Freundſchaft fuͤr ſie, und auch ſie ſchien froh
zu ſein, die duͤnne Scheidewand der bisherigen
Ironie zwiſchen uns fallen zu laſſen und einen
ihrem kuͤnftigen Hauſe ergebenen Vetter aus mir
zu machen. Sie unterhielt ſich fortwaͤhrend und
angelegentlich mit mir und veranlaßte den Muͤl¬
ler, an dem vertraulichen Geplauder Theil zu
nehmen. Das that er denn auch mit freund¬
ſchaftlicher Kraft, wir wurden herzlicher und of¬
fener gegen einander, kurz, ich glaubte endlich
zu meinem großen Troſte zu entdecken, daß man
mich achtete und werth hielt. Zutraulich bei die¬
ſem huͤbſchen Paare ſtehend, ſah ich nun ruhiger
uͤber die Verſammlung hin und ruͤckte endlich ein
Stuͤck weiter, um mich bei dem Schulmeiſter und
ſeiner Tochter einzufinden. Trotz des Verkomm¬
niſſes in der Gartenlaube war unſer Verkehr
nicht ſehr fortgeſchritten, wir wechſelten kaum
einige Worte, im Uebrigen blieben wir ſtill und
zufrieden in unſerer gegenſeitigen Naͤhe, und ſelbſt
heute hatten wir faſt Nichts unmittelbar zu ein¬
ander geſprochen. Als ich mich nachlaͤſſig hinter
Anna's Stuhl lehnte, bot mir der Schulmeiſter,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/384>, abgerufen am 23.11.2024.
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