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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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wo sie von dem Ausschusse und den versammel¬
ten Gemeinderathsfrauen bewunderungsvoll be¬
grüßt wurde. Ich war hier nur wenig bekannt
und lebte nur in dem Glanze, welchen Anna auf
mich warf. Jetzt kam auch der Schulmeister an¬
gefahren mit seiner Begleiterin; sie gesellten sich
zu uns, nachdem das Gefährt nothdürftig unter¬
gebracht, und erzählten, wie soeben auf der Land¬
schaft dem jungen Melchthal die Ochsen vom
Pfluge genommen, er flüchtig geworden und sein
Vater gefangen worden sei, wie die Tyran¬
nen überhaupt ihren Spuk trieben und vor
dem Stauffacher'schen Hause merkwürdige Sce¬
nen stattgefunden hätten vor vielen Zuschauern.
Diese strömten auch bald zum Thore herein; denn
obgleich nicht Alle überall sein wollten, so begehrte
doch die größere Zahl die ehrwürdigen und be¬
deutungsvollen Hauptbegebenheiten zu schauen
und vor Allem den Tellenschuß. Bereits sahen
wir auch aus dem Fenster des Rathhauses die
Spießknechte mit der verhaßten Stange ankom¬
men, dieselbe mitten auf dem Platze aufpflanzen
und unter Trommelschlag das Gesetz verkünden.

wo ſie von dem Ausſchuſſe und den verſammel¬
ten Gemeinderathsfrauen bewunderungsvoll be¬
gruͤßt wurde. Ich war hier nur wenig bekannt
und lebte nur in dem Glanze, welchen Anna auf
mich warf. Jetzt kam auch der Schulmeiſter an¬
gefahren mit ſeiner Begleiterin; ſie geſellten ſich
zu uns, nachdem das Gefaͤhrt nothduͤrftig unter¬
gebracht, und erzaͤhlten, wie ſoeben auf der Land¬
ſchaft dem jungen Melchthal die Ochſen vom
Pfluge genommen, er fluͤchtig geworden und ſein
Vater gefangen worden ſei, wie die Tyran¬
nen uͤberhaupt ihren Spuk trieben und vor
dem Stauffacher'ſchen Hauſe merkwuͤrdige Sce¬
nen ſtattgefunden haͤtten vor vielen Zuſchauern.
Dieſe ſtroͤmten auch bald zum Thore herein; denn
obgleich nicht Alle uͤberall ſein wollten, ſo begehrte
doch die groͤßere Zahl die ehrwuͤrdigen und be¬
deutungsvollen Hauptbegebenheiten zu ſchauen
und vor Allem den Tellenſchuß. Bereits ſahen
wir auch aus dem Fenſter des Rathhauſes die
Spießknechte mit der verhaßten Stange ankom¬
men, dieſelbe mitten auf dem Platze aufpflanzen
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[360/0370] wo ſie von dem Ausſchuſſe und den verſammel¬ ten Gemeinderathsfrauen bewunderungsvoll be¬ gruͤßt wurde. Ich war hier nur wenig bekannt und lebte nur in dem Glanze, welchen Anna auf mich warf. Jetzt kam auch der Schulmeiſter an¬ gefahren mit ſeiner Begleiterin; ſie geſellten ſich zu uns, nachdem das Gefaͤhrt nothduͤrftig unter¬ gebracht, und erzaͤhlten, wie ſoeben auf der Land¬ ſchaft dem jungen Melchthal die Ochſen vom Pfluge genommen, er fluͤchtig geworden und ſein Vater gefangen worden ſei, wie die Tyran¬ nen uͤberhaupt ihren Spuk trieben und vor dem Stauffacher'ſchen Hauſe merkwuͤrdige Sce¬ nen ſtattgefunden haͤtten vor vielen Zuſchauern. Dieſe ſtroͤmten auch bald zum Thore herein; denn obgleich nicht Alle uͤberall ſein wollten, ſo begehrte doch die groͤßere Zahl die ehrwuͤrdigen und be¬ deutungsvollen Hauptbegebenheiten zu ſchauen und vor Allem den Tellenſchuß. Bereits ſahen wir auch aus dem Fenſter des Rathhauſes die Spießknechte mit der verhaßten Stange ankom¬ men, dieſelbe mitten auf dem Platze aufpflanzen und unter Trommelſchlag das Geſetz verkuͤnden.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/370>, abgerufen am 23.11.2024.