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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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der Zwingherr vorher selbst heranreiten und seine
böse Harrangue loslassen.

Im Hause des Oheims war ich ein eigentli¬
ches Factotum und eifrig bestrebt, die Kleidung
der Söhne so historisch als möglich zu machen
und die Töchter, welche sich sehr modern auf¬
putzen wollten, von solchem Beginnen abzuhalten.
Mit Ausnahme der Braut wollten sich alle Kin¬
der des Oheims betheiligen und sie suchten auch
Anna zu überreden, welche überdies von dem lei¬
tenden Ausschusse dringend eingeladen war. Al¬
lein sie wollte sich durchaus nicht dazu verstehen,
ich glaube nicht nur aus Zaghaftigkeit, sondern
auch ein wenig aus Stolz, bis der Schulmeister,
für diese Veredlung der alten roheren Spiele
durchaus begeistert, sie entschieden aufforderte,
auch das Ihrige beizutragen. Nun war aber die
große Frage, was sie vorstellen sollte; ihre Fein¬
heit und Bildung sollte dem Feste zur Zierde ge¬
reichen, während doch alle hervorragenden Frauen¬
rollen jungen Männern zu Theil geworden. Ich
hatte mir aber längst etwas für sie ausgedacht
und überzeugte bald meine Basen und den Schul¬

der Zwingherr vorher ſelbſt heranreiten und ſeine
boͤſe Harrangue loslaſſen.

Im Hauſe des Oheims war ich ein eigentli¬
ches Factotum und eifrig beſtrebt, die Kleidung
der Soͤhne ſo hiſtoriſch als moͤglich zu machen
und die Toͤchter, welche ſich ſehr modern auf¬
putzen wollten, von ſolchem Beginnen abzuhalten.
Mit Ausnahme der Braut wollten ſich alle Kin¬
der des Oheims betheiligen und ſie ſuchten auch
Anna zu uͤberreden, welche uͤberdies von dem lei¬
tenden Ausſchuſſe dringend eingeladen war. Al¬
lein ſie wollte ſich durchaus nicht dazu verſtehen,
ich glaube nicht nur aus Zaghaftigkeit, ſondern
auch ein wenig aus Stolz, bis der Schulmeiſter,
fuͤr dieſe Veredlung der alten roheren Spiele
durchaus begeiſtert, ſie entſchieden aufforderte,
auch das Ihrige beizutragen. Nun war aber die
große Frage, was ſie vorſtellen ſollte; ihre Fein¬
heit und Bildung ſollte dem Feſte zur Zierde ge¬
reichen, waͤhrend doch alle hervorragenden Frauen¬
rollen jungen Maͤnnern zu Theil geworden. Ich
hatte mir aber laͤngſt etwas fuͤr ſie ausgedacht
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[346/0356] der Zwingherr vorher ſelbſt heranreiten und ſeine boͤſe Harrangue loslaſſen. Im Hauſe des Oheims war ich ein eigentli¬ ches Factotum und eifrig beſtrebt, die Kleidung der Soͤhne ſo hiſtoriſch als moͤglich zu machen und die Toͤchter, welche ſich ſehr modern auf¬ putzen wollten, von ſolchem Beginnen abzuhalten. Mit Ausnahme der Braut wollten ſich alle Kin¬ der des Oheims betheiligen und ſie ſuchten auch Anna zu uͤberreden, welche uͤberdies von dem lei¬ tenden Ausſchuſſe dringend eingeladen war. Al¬ lein ſie wollte ſich durchaus nicht dazu verſtehen, ich glaube nicht nur aus Zaghaftigkeit, ſondern auch ein wenig aus Stolz, bis der Schulmeiſter, fuͤr dieſe Veredlung der alten roheren Spiele durchaus begeiſtert, ſie entſchieden aufforderte, auch das Ihrige beizutragen. Nun war aber die große Frage, was ſie vorſtellen ſollte; ihre Fein¬ heit und Bildung ſollte dem Feſte zur Zierde ge¬ reichen, waͤhrend doch alle hervorragenden Frauen¬ rollen jungen Maͤnnern zu Theil geworden. Ich hatte mir aber laͤngſt etwas fuͤr ſie ausgedacht und uͤberzeugte bald meine Baſen und den Schul¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/356>, abgerufen am 23.11.2024.