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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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weniger Ernst und Aufwand vorbereitet und
ausgeführt. Einige Ortschaften waren schon
berühmt und jedesmal stark besucht durch die¬
selben, andere suchten es zu werden. Mein
Heimathdorf war nebst ein paar anderen Dör¬
fern von einem benachbarten Marktflecken ein¬
geladen worden zu einer großen Darstellung
des Wilhelm Tell, und in Folge dessen war
ich wieder durch meine Verwandten aufgefordert
worden, hinaus zu kommen und an den Vor¬
bereitungen Theil zu nehmen, da man mir
manche Einsicht und Fertigkeit besonders als
Maler zutraute, um so mehr, als unser Dorf in
einer fast ausschließlichen Bauerngegend lag und
in solchen Dingen wenig Gewandtheit besaß. Ich
war vollständig Herr meiner Zeit, auch war eine
Unterbrechung zu solchem Zwecke zu sehr im Geiste
meines Vaters, als daß die Mutter dagegen
Bedenken erhoben hätte; also ließ ich es mir nicht
zwei Mal sagen und ging jede Woche für einige
Tage hinaus, wobei mir schon das stete Wan¬
dern zu dieser Jahreszeit, manchmal durch die
schneebedeckten Felder und Wälder, die größte

weniger Ernſt und Aufwand vorbereitet und
ausgefuͤhrt. Einige Ortſchaften waren ſchon
beruͤhmt und jedesmal ſtark beſucht durch die¬
ſelben, andere ſuchten es zu werden. Mein
Heimathdorf war nebſt ein paar anderen Doͤr¬
fern von einem benachbarten Marktflecken ein¬
geladen worden zu einer großen Darſtellung
des Wilhelm Tell, und in Folge deſſen war
ich wieder durch meine Verwandten aufgefordert
worden, hinaus zu kommen und an den Vor¬
bereitungen Theil zu nehmen, da man mir
manche Einſicht und Fertigkeit beſonders als
Maler zutraute, um ſo mehr, als unſer Dorf in
einer faſt ausſchließlichen Bauerngegend lag und
in ſolchen Dingen wenig Gewandtheit beſaß. Ich
war vollſtaͤndig Herr meiner Zeit, auch war eine
Unterbrechung zu ſolchem Zwecke zu ſehr im Geiſte
meines Vaters, als daß die Mutter dagegen
Bedenken erhoben haͤtte; alſo ließ ich es mir nicht
zwei Mal ſagen und ging jede Woche fuͤr einige
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[341/0351] weniger Ernſt und Aufwand vorbereitet und ausgefuͤhrt. Einige Ortſchaften waren ſchon beruͤhmt und jedesmal ſtark beſucht durch die¬ ſelben, andere ſuchten es zu werden. Mein Heimathdorf war nebſt ein paar anderen Doͤr¬ fern von einem benachbarten Marktflecken ein¬ geladen worden zu einer großen Darſtellung des Wilhelm Tell, und in Folge deſſen war ich wieder durch meine Verwandten aufgefordert worden, hinaus zu kommen und an den Vor¬ bereitungen Theil zu nehmen, da man mir manche Einſicht und Fertigkeit beſonders als Maler zutraute, um ſo mehr, als unſer Dorf in einer faſt ausſchließlichen Bauerngegend lag und in ſolchen Dingen wenig Gewandtheit beſaß. Ich war vollſtaͤndig Herr meiner Zeit, auch war eine Unterbrechung zu ſolchem Zwecke zu ſehr im Geiſte meines Vaters, als daß die Mutter dagegen Bedenken erhoben haͤtte; alſo ließ ich es mir nicht zwei Mal ſagen und ging jede Woche fuͤr einige Tage hinaus, wobei mir ſchon das ſtete Wan¬ dern zu dieſer Jahreszeit, manchmal durch die ſchneebedeckten Felder und Waͤlder, die groͤßte

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/351>, abgerufen am 23.11.2024.