ein solches, daß ich im Buche einer meiner Ba¬ sen gefunden, hatte ich einst ein Osterlämmchen gemalt mit einem Amor, der darauf reitet, und bei der Entdeckung ein strenges Verhör nebst Verweis zu bestehen gehabt; als ich jetzt mehrere solcher Blätter in der Hand hielt, erinnerte ich mich daran und mußte lächeln; auch gelüstete es mich einen Augenblick lang, eins zurückzubehal¬ ten, um irgend ein lustiges Erinnerungszeichen an meinen Abschied von der Kirche darauf zu malen. Aber ich besann mich, daß ich in dem väterlichen Stuhle stand, und gab das Brot weiter, nachdem ich eine Ecke davon in den Mund gesteckt, zum andächtigen aber allerletzten Abschiede von der Kinderzeit und der Kinder¬ speise, die ich beim Küster gekauft hatte. Als ich den Becher in der Hand hielt, blickte ich fest in den Wein, ehe ich trank; aber es rührte mich nicht, ich nahm einen Schluck, gab die Schale weiter und, indem ich mit den Gedanken schon weit auf dem Wege nach Hause, den Wein hin¬ abschluckte, drehte ich ungeduldig mein Sam¬ metbaret in der Hand und mochte kaum das
ein ſolches, daß ich im Buche einer meiner Ba¬ ſen gefunden, hatte ich einſt ein Oſterlaͤmmchen gemalt mit einem Amor, der darauf reitet, und bei der Entdeckung ein ſtrenges Verhoͤr nebſt Verweis zu beſtehen gehabt; als ich jetzt mehrere ſolcher Blaͤtter in der Hand hielt, erinnerte ich mich daran und mußte laͤcheln; auch geluͤſtete es mich einen Augenblick lang, eins zuruͤckzubehal¬ ten, um irgend ein luſtiges Erinnerungszeichen an meinen Abſchied von der Kirche darauf zu malen. Aber ich beſann mich, daß ich in dem vaͤterlichen Stuhle ſtand, und gab das Brot weiter, nachdem ich eine Ecke davon in den Mund geſteckt, zum andaͤchtigen aber allerletzten Abſchiede von der Kinderzeit und der Kinder¬ ſpeiſe, die ich beim Kuͤſter gekauft hatte. Als ich den Becher in der Hand hielt, blickte ich feſt in den Wein, ehe ich trank; aber es ruͤhrte mich nicht, ich nahm einen Schluck, gab die Schale weiter und, indem ich mit den Gedanken ſchon weit auf dem Wege nach Hauſe, den Wein hin¬ abſchluckte, drehte ich ungeduldig mein Sam¬ metbaret in der Hand und mochte kaum das
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0342"n="332"/>
ein ſolches, daß ich im Buche einer meiner Ba¬<lb/>ſen gefunden, hatte ich einſt ein Oſterlaͤmmchen<lb/>
gemalt mit einem Amor, der darauf reitet, und<lb/>
bei der Entdeckung ein ſtrenges Verhoͤr nebſt<lb/>
Verweis zu beſtehen gehabt; als ich jetzt mehrere<lb/>ſolcher Blaͤtter in der Hand hielt, erinnerte ich<lb/>
mich daran und mußte laͤcheln; auch geluͤſtete es<lb/>
mich einen Augenblick lang, eins zuruͤckzubehal¬<lb/>
ten, um irgend ein luſtiges Erinnerungszeichen<lb/>
an meinen Abſchied von der Kirche darauf zu<lb/>
malen. Aber ich beſann mich, daß ich in dem<lb/>
vaͤterlichen Stuhle ſtand, und gab das Brot<lb/>
weiter, nachdem ich eine Ecke davon in den<lb/>
Mund geſteckt, zum andaͤchtigen aber allerletzten<lb/>
Abſchiede von der Kinderzeit und der Kinder¬<lb/>ſpeiſe, die ich beim Kuͤſter gekauft hatte. Als<lb/>
ich den Becher in der Hand hielt, blickte ich<lb/>
feſt in den Wein, ehe ich trank; aber es ruͤhrte<lb/>
mich nicht, ich nahm einen Schluck, gab die Schale<lb/>
weiter und, indem ich mit den Gedanken ſchon<lb/>
weit auf dem Wege nach Hauſe, den Wein hin¬<lb/>
abſchluckte, drehte ich ungeduldig mein Sam¬<lb/>
metbaret in der Hand und mochte kaum das<lb/></p></div></body></text></TEI>
[332/0342]
ein ſolches, daß ich im Buche einer meiner Ba¬
ſen gefunden, hatte ich einſt ein Oſterlaͤmmchen
gemalt mit einem Amor, der darauf reitet, und
bei der Entdeckung ein ſtrenges Verhoͤr nebſt
Verweis zu beſtehen gehabt; als ich jetzt mehrere
ſolcher Blaͤtter in der Hand hielt, erinnerte ich
mich daran und mußte laͤcheln; auch geluͤſtete es
mich einen Augenblick lang, eins zuruͤckzubehal¬
ten, um irgend ein luſtiges Erinnerungszeichen
an meinen Abſchied von der Kirche darauf zu
malen. Aber ich beſann mich, daß ich in dem
vaͤterlichen Stuhle ſtand, und gab das Brot
weiter, nachdem ich eine Ecke davon in den
Mund geſteckt, zum andaͤchtigen aber allerletzten
Abſchiede von der Kinderzeit und der Kinder¬
ſpeiſe, die ich beim Kuͤſter gekauft hatte. Als
ich den Becher in der Hand hielt, blickte ich
feſt in den Wein, ehe ich trank; aber es ruͤhrte
mich nicht, ich nahm einen Schluck, gab die Schale
weiter und, indem ich mit den Gedanken ſchon
weit auf dem Wege nach Hauſe, den Wein hin¬
abſchluckte, drehte ich ungeduldig mein Sam¬
metbaret in der Hand und mochte kaum das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/342>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.