"machen" kann, und daß die Vergänglichkeit, der ewige Wandel alles Irdischen schon genugsam für poetisch sehnsüchtigen Reiz sorgen.
Der Freiheitssinn meines Vaters in religiöser Hinsicht war vorzüglich gegen die Uebergriffe des Ultramontanismus und gegen die Unduldsamkeit und Verknöcherung reformirter Orthodoxen gerich¬ tet, gegen absichtliche Verdummung und Heuchelei jeder Art, und das Wort Pfaff war bei ihm da¬ her öfter zu hören. Würdige Geistliche ehrte er aber und freute sich, ihnen Ergebenheit zu zei¬ gen, und wenn es wo möglich ein erzkatholischer, aber ehrenwerther Priester war, welchem er Ehr¬ erbietung beweisen konnte, so machte ihm dies um so größeres Vergnügen, gerade weil er sich im Schooße der Zwingli'schen Kirche sehr geborgen fühlte. Zwingli's Erscheinung ist reiner und milder, als diejenige Luther's. Er hatte einen freieren Geist und einen weiteren Blick, war viel weniger ein Pfaff als ein humaner Staatsmann, und besiegelte sein Wirken mit einem schönen Tode auf dem Schlachtfeld, das Schwert in der Hand. Daher war sein Bild meinem Vater ein
»machen« kann, und daß die Vergaͤnglichkeit, der ewige Wandel alles Irdiſchen ſchon genugſam fuͤr poetiſch ſehnſuͤchtigen Reiz ſorgen.
Der Freiheitsſinn meines Vaters in religioͤſer Hinſicht war vorzuͤglich gegen die Uebergriffe des Ultramontanismus und gegen die Unduldſamkeit und Verknoͤcherung reformirter Orthodoxen gerich¬ tet, gegen abſichtliche Verdummung und Heuchelei jeder Art, und das Wort Pfaff war bei ihm da¬ her oͤfter zu hoͤren. Wuͤrdige Geiſtliche ehrte er aber und freute ſich, ihnen Ergebenheit zu zei¬ gen, und wenn es wo moͤglich ein erzkatholiſcher, aber ehrenwerther Prieſter war, welchem er Ehr¬ erbietung beweiſen konnte, ſo machte ihm dies um ſo groͤßeres Vergnuͤgen, gerade weil er ſich im Schooße der Zwingli'ſchen Kirche ſehr geborgen fuͤhlte. Zwingli's Erſcheinung iſt reiner und milder, als diejenige Luther's. Er hatte einen freieren Geiſt und einen weiteren Blick, war viel weniger ein Pfaff als ein humaner Staatsmann, und beſiegelte ſein Wirken mit einem ſchoͤnen Tode auf dem Schlachtfeld, das Schwert in der Hand. Daher war ſein Bild meinem Vater ein
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»machen« kann, und daß die Vergaͤnglichkeit, der
ewige Wandel alles Irdiſchen ſchon genugſam fuͤr
poetiſch ſehnſuͤchtigen Reiz ſorgen.
Der Freiheitsſinn meines Vaters in religioͤſer
Hinſicht war vorzuͤglich gegen die Uebergriffe des
Ultramontanismus und gegen die Unduldſamkeit
und Verknoͤcherung reformirter Orthodoxen gerich¬
tet, gegen abſichtliche Verdummung und Heuchelei
jeder Art, und das Wort Pfaff war bei ihm da¬
her oͤfter zu hoͤren. Wuͤrdige Geiſtliche ehrte er
aber und freute ſich, ihnen Ergebenheit zu zei¬
gen, und wenn es wo moͤglich ein erzkatholiſcher,
aber ehrenwerther Prieſter war, welchem er Ehr¬
erbietung beweiſen konnte, ſo machte ihm dies um
ſo groͤßeres Vergnuͤgen, gerade weil er ſich im
Schooße der Zwingli'ſchen Kirche ſehr geborgen
fuͤhlte. Zwingli's Erſcheinung iſt reiner und
milder, als diejenige Luther's. Er hatte einen
freieren Geiſt und einen weiteren Blick, war viel
weniger ein Pfaff als ein humaner Staatsmann,
und beſiegelte ſein Wirken mit einem ſchoͤnen
Tode auf dem Schlachtfeld, das Schwert in der
Hand. Daher war ſein Bild meinem Vater ein
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/339>, abgerufen am 27.11.2024.
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