wenn man von mir sprach. Leicht wußte ich meine Mutter zu überreden, grünes Tuch zu wäh¬ len und statt eines Frackes einen hübschen kur¬ zen Rock mit einigen Schnüren machen zu las¬ sen, dazu statt des gefürchteten Hutes ein schwar¬ zes Sammetbaret, da Hut und Frack doch selten getragen und wegen meines Wachsthums, sowie wegen der Mode also eine unnütze Ausgabe sein würden. Es leuchtete ihr klar ein, um so mehr, da die armen Lehrlinge und Tagelöhnersöhne auch keinen schwarzen Habit zu tragen pflegten, sondern in ihren gewöhnlichen Sonntagskleidern erschienen, und ich erklärte, es sei mir vollkom¬ men gleichgültig, ob man mich zu den ehrbaren Bürgerssöhnen zähle oder nicht. So breit ich konnte, schlug ich den Hemdekragen zurück, strich mein langes Haar kühn hinter die Ohren und erschien so, das Baret in der Hand, am heiligen Abend in der Stube des Geistlichen, wo noch eine herzliche und vertrauliche Vorbereitung statt¬ finden sollte. Als ich mich unter die feierliche steif geputzte Jugend stellte, wurde ich mit eini¬ ger Verwunderung betrachtet, denn ich stand al¬
21 *
wenn man von mir ſprach. Leicht wußte ich meine Mutter zu uͤberreden, gruͤnes Tuch zu waͤh¬ len und ſtatt eines Frackes einen huͤbſchen kur¬ zen Rock mit einigen Schnuͤren machen zu laſ¬ ſen, dazu ſtatt des gefuͤrchteten Hutes ein ſchwar¬ zes Sammetbaret, da Hut und Frack doch ſelten getragen und wegen meines Wachsthums, ſowie wegen der Mode alſo eine unnuͤtze Ausgabe ſein wuͤrden. Es leuchtete ihr klar ein, um ſo mehr, da die armen Lehrlinge und Tageloͤhnerſoͤhne auch keinen ſchwarzen Habit zu tragen pflegten, ſondern in ihren gewoͤhnlichen Sonntagskleidern erſchienen, und ich erklaͤrte, es ſei mir vollkom¬ men gleichguͤltig, ob man mich zu den ehrbaren Buͤrgersſoͤhnen zaͤhle oder nicht. So breit ich konnte, ſchlug ich den Hemdekragen zuruͤck, ſtrich mein langes Haar kuͤhn hinter die Ohren und erſchien ſo, das Baret in der Hand, am heiligen Abend in der Stube des Geiſtlichen, wo noch eine herzliche und vertrauliche Vorbereitung ſtatt¬ finden ſollte. Als ich mich unter die feierliche ſteif geputzte Jugend ſtellte, wurde ich mit eini¬ ger Verwunderung betrachtet, denn ich ſtand al¬
21 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0333"n="323"/>
wenn man von mir ſprach. Leicht wußte ich<lb/>
meine Mutter zu uͤberreden, gruͤnes Tuch zu waͤh¬<lb/>
len und ſtatt eines Frackes einen huͤbſchen kur¬<lb/>
zen Rock mit einigen Schnuͤren machen zu laſ¬<lb/>ſen, dazu ſtatt des gefuͤrchteten Hutes ein ſchwar¬<lb/>
zes Sammetbaret, da Hut und Frack doch ſelten<lb/>
getragen und wegen meines Wachsthums, ſowie<lb/>
wegen der Mode alſo eine unnuͤtze Ausgabe ſein<lb/>
wuͤrden. Es leuchtete ihr klar ein, um ſo mehr,<lb/>
da die armen Lehrlinge und Tageloͤhnerſoͤhne<lb/>
auch keinen ſchwarzen Habit zu tragen pflegten,<lb/>ſondern in ihren gewoͤhnlichen Sonntagskleidern<lb/>
erſchienen, und ich erklaͤrte, es ſei mir vollkom¬<lb/>
men gleichguͤltig, ob man mich zu den ehrbaren<lb/>
Buͤrgersſoͤhnen zaͤhle oder nicht. So breit ich<lb/>
konnte, ſchlug ich den Hemdekragen zuruͤck, ſtrich<lb/>
mein langes Haar kuͤhn hinter die Ohren und<lb/>
erſchien ſo, das Baret in der Hand, am heiligen<lb/>
Abend in der Stube des Geiſtlichen, wo noch<lb/>
eine herzliche und vertrauliche Vorbereitung ſtatt¬<lb/>
finden ſollte. Als ich mich unter die feierliche<lb/>ſteif geputzte Jugend ſtellte, wurde ich mit eini¬<lb/>
ger Verwunderung betrachtet, denn ich ſtand al¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig">21 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[323/0333]
wenn man von mir ſprach. Leicht wußte ich
meine Mutter zu uͤberreden, gruͤnes Tuch zu waͤh¬
len und ſtatt eines Frackes einen huͤbſchen kur¬
zen Rock mit einigen Schnuͤren machen zu laſ¬
ſen, dazu ſtatt des gefuͤrchteten Hutes ein ſchwar¬
zes Sammetbaret, da Hut und Frack doch ſelten
getragen und wegen meines Wachsthums, ſowie
wegen der Mode alſo eine unnuͤtze Ausgabe ſein
wuͤrden. Es leuchtete ihr klar ein, um ſo mehr,
da die armen Lehrlinge und Tageloͤhnerſoͤhne
auch keinen ſchwarzen Habit zu tragen pflegten,
ſondern in ihren gewoͤhnlichen Sonntagskleidern
erſchienen, und ich erklaͤrte, es ſei mir vollkom¬
men gleichguͤltig, ob man mich zu den ehrbaren
Buͤrgersſoͤhnen zaͤhle oder nicht. So breit ich
konnte, ſchlug ich den Hemdekragen zuruͤck, ſtrich
mein langes Haar kuͤhn hinter die Ohren und
erſchien ſo, das Baret in der Hand, am heiligen
Abend in der Stube des Geiſtlichen, wo noch
eine herzliche und vertrauliche Vorbereitung ſtatt¬
finden ſollte. Als ich mich unter die feierliche
ſteif geputzte Jugend ſtellte, wurde ich mit eini¬
ger Verwunderung betrachtet, denn ich ſtand al¬
21 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/333>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.