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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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und nicht aus Eigennutz handeln wollte. Dann
dauerte mich aber der Arme, ich lief zurück; allein
während des Zurücklaufens dünkte meiner Selbst¬
sucht gerade dieses Bedauern wieder artig und ver¬
dienstlich, ich kehrte nochmals um, bis ich endlich
auf den vernünftigen Gedanken kam: Möge dem
sein, wie ihm wolle, der arme Teufel müsse je¬
denfalls zu seiner Sache kommen, das sei die
erste Frage! Manchmal kommt dieser Gedanke
aber zu spät und die Gabe bleibt in meiner
Tasche, wo sie mir alsdann unerträglich ist. Da¬
her freue ich mich immer wie ein Kind, wenn es
mir passirt, daß ich unbedacht meine Pflicht er¬
füllt habe und es mir erst nachträglich einfällt,
daß das etwas Verdienstliches sein dürfte; ich
pflege dann höchst vergnügt ein Schnippchen ge¬
gen den Himmel zu schlagen und zu rufen:
Siehst du alter Papa! nun bin ich Dir doch
durchgewischt! Das höchste Vergnügen erreiche
ich aber, wenn ich mir in solchen Augenblicken
denke, wie ich Ihm nun sehr komisch vorkommen
müsse; denn da der liebe Gott Alles versteht,
so muß er auch Spaß verstehen, obgleich man

und nicht aus Eigennutz handeln wollte. Dann
dauerte mich aber der Arme, ich lief zuruͤck; allein
waͤhrend des Zuruͤcklaufens duͤnkte meiner Selbſt¬
ſucht gerade dieſes Bedauern wieder artig und ver¬
dienſtlich, ich kehrte nochmals um, bis ich endlich
auf den vernuͤnftigen Gedanken kam: Moͤge dem
ſein, wie ihm wolle, der arme Teufel muͤſſe je¬
denfalls zu ſeiner Sache kommen, das ſei die
erſte Frage! Manchmal kommt dieſer Gedanke
aber zu ſpaͤt und die Gabe bleibt in meiner
Taſche, wo ſie mir alsdann unertraͤglich iſt. Da¬
her freue ich mich immer wie ein Kind, wenn es
mir paſſirt, daß ich unbedacht meine Pflicht er¬
fuͤllt habe und es mir erſt nachtraͤglich einfaͤllt,
daß das etwas Verdienſtliches ſein duͤrfte; ich
pflege dann hoͤchſt vergnuͤgt ein Schnippchen ge¬
gen den Himmel zu ſchlagen und zu rufen:
Siehſt du alter Papa! nun bin ich Dir doch
durchgewiſcht! Das hoͤchſte Vergnuͤgen erreiche
ich aber, wenn ich mir in ſolchen Augenblicken
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[319/0329] und nicht aus Eigennutz handeln wollte. Dann dauerte mich aber der Arme, ich lief zuruͤck; allein waͤhrend des Zuruͤcklaufens duͤnkte meiner Selbſt¬ ſucht gerade dieſes Bedauern wieder artig und ver¬ dienſtlich, ich kehrte nochmals um, bis ich endlich auf den vernuͤnftigen Gedanken kam: Moͤge dem ſein, wie ihm wolle, der arme Teufel muͤſſe je¬ denfalls zu ſeiner Sache kommen, das ſei die erſte Frage! Manchmal kommt dieſer Gedanke aber zu ſpaͤt und die Gabe bleibt in meiner Taſche, wo ſie mir alsdann unertraͤglich iſt. Da¬ her freue ich mich immer wie ein Kind, wenn es mir paſſirt, daß ich unbedacht meine Pflicht er¬ fuͤllt habe und es mir erſt nachtraͤglich einfaͤllt, daß das etwas Verdienſtliches ſein duͤrfte; ich pflege dann hoͤchſt vergnuͤgt ein Schnippchen ge¬ gen den Himmel zu ſchlagen und zu rufen: Siehſt du alter Papa! nun bin ich Dir doch durchgewiſcht! Das hoͤchſte Vergnuͤgen erreiche ich aber, wenn ich mir in ſolchen Augenblicken denke, wie ich Ihm nun ſehr komiſch vorkommen muͤſſe; denn da der liebe Gott Alles verſteht, ſo muß er auch Spaß verſtehen, obgleich man

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/329>, abgerufen am 26.11.2024.