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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Als er nun etwas verstimmt vor den übrigen
Gesellen herging, die ihn schon verschiedentlich
aufgezogen hatten, rief plötzlich Einer, welcher
ihn zum ersten Mal genauer in's Auge faßte:
Sie! Herr Oelfinger! Sie sind eigentlich verteu¬
felt krumm! Erstaunt kehrte er sich um und
sagte: Sie träumen wohl, oder soll das ein Witz
sein? Der Andere wandte sich aber zur Gesell¬
schaft und forderte sie auf, ihn ebenfalls näher zu
betrachten; man hieß ihn einige Schritte vor¬
wärts gehen, er that es, und Jedermann bestä¬
tigte nun: Ja, er sei schief! Aufgebracht stellte
er sich sogleich neben den Angreifer und wollte
ihm beweisen, daß dieser selbst der Mißgewachsene
sei. Der war aber schlank wie eine Tanne und
die Gesellschaft fing an zu lachen. Sprachlos
und hastig kleidete er sich aus und ging splitter¬
nackt vor den Uebrigen her; die rechte Schulter
war vom unaufhörlichen spöttischen Achselzucken
höher als die linke, die Elbogen von seiner eit¬
len Gespreiztheit nach auswärts gedreht und die
Hüften verschoben: dazu wurde er durch das Be¬
streben, gerade zu scheinen, nur noch krummer;

Als er nun etwas verſtimmt vor den uͤbrigen
Geſellen herging, die ihn ſchon verſchiedentlich
aufgezogen hatten, rief ploͤtzlich Einer, welcher
ihn zum erſten Mal genauer in's Auge faßte:
Sie! Herr Oelfinger! Sie ſind eigentlich verteu¬
felt krumm! Erſtaunt kehrte er ſich um und
ſagte: Sie traͤumen wohl, oder ſoll das ein Witz
ſein? Der Andere wandte ſich aber zur Geſell¬
ſchaft und forderte ſie auf, ihn ebenfalls naͤher zu
betrachten; man hieß ihn einige Schritte vor¬
waͤrts gehen, er that es, und Jedermann beſtaͤ¬
tigte nun: Ja, er ſei ſchief! Aufgebracht ſtellte
er ſich ſogleich neben den Angreifer und wollte
ihm beweiſen, daß dieſer ſelbſt der Mißgewachſene
ſei. Der war aber ſchlank wie eine Tanne und
die Geſellſchaft fing an zu lachen. Sprachlos
und haſtig kleidete er ſich aus und ging ſplitter¬
nackt vor den Uebrigen her; die rechte Schulter
war vom unaufhoͤrlichen ſpoͤttiſchen Achſelzucken
hoͤher als die linke, die Elbogen von ſeiner eit¬
len Geſpreiztheit nach auswaͤrts gedreht und die
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[314/0324] Als er nun etwas verſtimmt vor den uͤbrigen Geſellen herging, die ihn ſchon verſchiedentlich aufgezogen hatten, rief ploͤtzlich Einer, welcher ihn zum erſten Mal genauer in's Auge faßte: Sie! Herr Oelfinger! Sie ſind eigentlich verteu¬ felt krumm! Erſtaunt kehrte er ſich um und ſagte: Sie traͤumen wohl, oder ſoll das ein Witz ſein? Der Andere wandte ſich aber zur Geſell¬ ſchaft und forderte ſie auf, ihn ebenfalls naͤher zu betrachten; man hieß ihn einige Schritte vor¬ waͤrts gehen, er that es, und Jedermann beſtaͤ¬ tigte nun: Ja, er ſei ſchief! Aufgebracht ſtellte er ſich ſogleich neben den Angreifer und wollte ihm beweiſen, daß dieſer ſelbſt der Mißgewachſene ſei. Der war aber ſchlank wie eine Tanne und die Geſellſchaft fing an zu lachen. Sprachlos und haſtig kleidete er ſich aus und ging ſplitter¬ nackt vor den Uebrigen her; die rechte Schulter war vom unaufhoͤrlichen ſpoͤttiſchen Achſelzucken hoͤher als die linke, die Elbogen von ſeiner eit¬ len Geſpreiztheit nach auswaͤrts gedreht und die Huͤften verſchoben: dazu wurde er durch das Be¬ ſtreben, gerade zu ſcheinen, nur noch krummer;

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/324>, abgerufen am 26.11.2024.