herunter zum letzten Zappler und Stänker, der vor Hochmuth und Unruhe nicht weiß, was er anfangen soll und, da es ihm an jedem Körn¬ lein von Autorität und Witz mangelt, sich an die Rückwand des Glaubens lehnt, um was hin¬ ter sich zu haben, von wo aus er rumoren kann. Der Cäsar ehrt den Glauben als Tyrann und Aristokrat, der Zappler und Stänker schätzt ihn als geistiger Proletarier und Scandalmacher, Beide aus Selbstsucht. Will man die Bedeutung des Glaubens kennen, so muß man nicht sowohl die orthodoxen Kirchenleute betrachten, bei denen der Institutionen wegen Alles über Einen Kamm geschoren ist und das Eigenthümliche daher zurück¬ tritt, als vielmehr die undisciplinirten Wildlinge des Glaubens, welche außerhalb der Kirchen¬ mauern frei umherschwirren, sei es in entstehen¬ den Secten, sei es in einzelnen Personen. Hier treten die rechten Beweggründe und das Ur¬ sprüngliche in Schicksal und Charakter hervor und werfen Licht in das verwachsene und fest ge¬ wordene Gebilde der großen geschichtlichen Masse.
Es lebte in unserer Stadt ein Mann, welcher
herunter zum letzten Zappler und Staͤnker, der vor Hochmuth und Unruhe nicht weiß, was er anfangen ſoll und, da es ihm an jedem Koͤrn¬ lein von Autoritaͤt und Witz mangelt, ſich an die Ruͤckwand des Glaubens lehnt, um was hin¬ ter ſich zu haben, von wo aus er rumoren kann. Der Caͤſar ehrt den Glauben als Tyrann und Ariſtokrat, der Zappler und Staͤnker ſchaͤtzt ihn als geiſtiger Proletarier und Scandalmacher, Beide aus Selbſtſucht. Will man die Bedeutung des Glaubens kennen, ſo muß man nicht ſowohl die orthodoxen Kirchenleute betrachten, bei denen der Inſtitutionen wegen Alles uͤber Einen Kamm geſchoren iſt und das Eigenthuͤmliche daher zuruͤck¬ tritt, als vielmehr die undisciplinirten Wildlinge des Glaubens, welche außerhalb der Kirchen¬ mauern frei umherſchwirren, ſei es in entſtehen¬ den Secten, ſei es in einzelnen Perſonen. Hier treten die rechten Beweggruͤnde und das Ur¬ ſpruͤngliche in Schickſal und Charakter hervor und werfen Licht in das verwachſene und feſt ge¬ wordene Gebilde der großen geſchichtlichen Maſſe.
Es lebte in unſerer Stadt ein Mann, welcher
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0316"n="306"/>
herunter zum letzten Zappler und Staͤnker, der<lb/>
vor Hochmuth und Unruhe nicht weiß, was er<lb/>
anfangen ſoll und, da es ihm an jedem Koͤrn¬<lb/>
lein von Autoritaͤt und Witz mangelt, ſich an<lb/>
die Ruͤckwand des Glaubens lehnt, um was hin¬<lb/>
ter ſich zu haben, von wo aus er rumoren kann.<lb/>
Der Caͤſar ehrt den Glauben als Tyrann und<lb/>
Ariſtokrat, der Zappler und Staͤnker ſchaͤtzt ihn<lb/>
als geiſtiger Proletarier und Scandalmacher,<lb/>
Beide aus Selbſtſucht. Will man die Bedeutung<lb/>
des Glaubens kennen, ſo muß man nicht ſowohl<lb/>
die orthodoxen Kirchenleute betrachten, bei denen<lb/>
der Inſtitutionen wegen Alles uͤber Einen Kamm<lb/>
geſchoren iſt und das Eigenthuͤmliche daher zuruͤck¬<lb/>
tritt, als vielmehr die undisciplinirten Wildlinge<lb/>
des Glaubens, welche außerhalb der Kirchen¬<lb/>
mauern frei umherſchwirren, ſei es in entſtehen¬<lb/>
den Secten, ſei es in einzelnen Perſonen. Hier<lb/>
treten die rechten Beweggruͤnde und das Ur¬<lb/>ſpruͤngliche in Schickſal und Charakter hervor<lb/>
und werfen Licht in das verwachſene und feſt ge¬<lb/>
wordene Gebilde der großen geſchichtlichen Maſſe.</p><lb/><p>Es lebte in unſerer Stadt ein Mann, welcher<lb/></p></div></body></text></TEI>
[306/0316]
herunter zum letzten Zappler und Staͤnker, der
vor Hochmuth und Unruhe nicht weiß, was er
anfangen ſoll und, da es ihm an jedem Koͤrn¬
lein von Autoritaͤt und Witz mangelt, ſich an
die Ruͤckwand des Glaubens lehnt, um was hin¬
ter ſich zu haben, von wo aus er rumoren kann.
Der Caͤſar ehrt den Glauben als Tyrann und
Ariſtokrat, der Zappler und Staͤnker ſchaͤtzt ihn
als geiſtiger Proletarier und Scandalmacher,
Beide aus Selbſtſucht. Will man die Bedeutung
des Glaubens kennen, ſo muß man nicht ſowohl
die orthodoxen Kirchenleute betrachten, bei denen
der Inſtitutionen wegen Alles uͤber Einen Kamm
geſchoren iſt und das Eigenthuͤmliche daher zuruͤck¬
tritt, als vielmehr die undisciplinirten Wildlinge
des Glaubens, welche außerhalb der Kirchen¬
mauern frei umherſchwirren, ſei es in entſtehen¬
den Secten, ſei es in einzelnen Perſonen. Hier
treten die rechten Beweggruͤnde und das Ur¬
ſpruͤngliche in Schickſal und Charakter hervor
und werfen Licht in das verwachſene und feſt ge¬
wordene Gebilde der großen geſchichtlichen Maſſe.
Es lebte in unſerer Stadt ein Mann, welcher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/316>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.