liebenswürdigen und gutmüthigen Leichtgläubig¬ keit hat, da sagt man mit Recht, es mache selig, und denjenigen Unglauben, welcher aus der an¬ deren Quelle herrührt, kann man billig unselig nennen. Allein mit der eigentlichen dogmatischen Lehre vom Glauben haben beide rein Nichts zu thun; denn während es christlich Gläubige giebt, welche in allen anderen Dingen die unangenehm¬ sten Bezweifler und Bemäkler sind, gibt es eben so viele Ungläubige, sogar Atheisten, welche sonst an alles Hoffnungsvolle und Erfreuliche mit all¬ bereiter Leichtigkeit glauben, und es ist ein be¬ liebtes Argument der christlichen Polemiker, daß sie Solchen höhnisch vorhalten, wie sie jeden auf¬ fallenden Quark als baare Münze annähmen und sich von Illusionen nährten, während sie nur das Große und Eine nicht glauben wollten. So haben wir das komische Schauspiel, wie Men¬ schen sich der abstractesten aller Ideologieen hin¬ geben, um nachher Jeden, der an etwas erreich¬ bar Gutes und Schönes glaubt, einen Ideologen zu nennen; sie bilden eine eigene wunderliche Bank der Spötter, vom Cäsar Napoleon bis
II. 20
liebenswuͤrdigen und gutmuͤthigen Leichtglaͤubig¬ keit hat, da ſagt man mit Recht, es mache ſelig, und denjenigen Unglauben, welcher aus der an¬ deren Quelle herruͤhrt, kann man billig unſelig nennen. Allein mit der eigentlichen dogmatiſchen Lehre vom Glauben haben beide rein Nichts zu thun; denn waͤhrend es chriſtlich Glaͤubige giebt, welche in allen anderen Dingen die unangenehm¬ ſten Bezweifler und Bemaͤkler ſind, gibt es eben ſo viele Unglaͤubige, ſogar Atheiſten, welche ſonſt an alles Hoffnungsvolle und Erfreuliche mit all¬ bereiter Leichtigkeit glauben, und es iſt ein be¬ liebtes Argument der chriſtlichen Polemiker, daß ſie Solchen hoͤhniſch vorhalten, wie ſie jeden auf¬ fallenden Quark als baare Muͤnze annaͤhmen und ſich von Illuſionen naͤhrten, waͤhrend ſie nur das Große und Eine nicht glauben wollten. So haben wir das komiſche Schauſpiel, wie Men¬ ſchen ſich der abſtracteſten aller Ideologieen hin¬ geben, um nachher Jeden, der an etwas erreich¬ bar Gutes und Schoͤnes glaubt, einen Ideologen zu nennen; ſie bilden eine eigene wunderliche Bank der Spoͤtter, vom Caͤſar Napoleon bis
II. 20
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0315"n="305"/>
liebenswuͤrdigen und gutmuͤthigen Leichtglaͤubig¬<lb/>
keit hat, da ſagt man mit Recht, es mache ſelig,<lb/>
und denjenigen Unglauben, welcher aus der an¬<lb/>
deren Quelle herruͤhrt, kann man billig unſelig<lb/>
nennen. Allein mit der eigentlichen dogmatiſchen<lb/>
Lehre vom Glauben haben beide rein <hirendition="#g">Nichts</hi> zu<lb/>
thun; denn waͤhrend es chriſtlich Glaͤubige giebt,<lb/>
welche in allen anderen Dingen die unangenehm¬<lb/>ſten Bezweifler und Bemaͤkler ſind, gibt es eben<lb/>ſo viele Unglaͤubige, ſogar Atheiſten, welche ſonſt<lb/>
an alles Hoffnungsvolle und Erfreuliche mit all¬<lb/>
bereiter Leichtigkeit glauben, und es iſt ein be¬<lb/>
liebtes Argument der chriſtlichen Polemiker, daß<lb/>ſie Solchen hoͤhniſch vorhalten, wie ſie jeden auf¬<lb/>
fallenden Quark als baare Muͤnze annaͤhmen und<lb/>ſich von Illuſionen naͤhrten, waͤhrend ſie nur das<lb/>
Große und Eine nicht glauben wollten. So<lb/>
haben wir das komiſche Schauſpiel, wie Men¬<lb/>ſchen ſich der abſtracteſten aller Ideologieen hin¬<lb/>
geben, um nachher Jeden, der an etwas erreich¬<lb/>
bar Gutes und Schoͤnes glaubt, einen Ideologen<lb/>
zu nennen; ſie bilden eine eigene wunderliche<lb/>
Bank der Spoͤtter, vom Caͤſar Napoleon bis<lb/><fwplace="bottom"type="sig">II. 20<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[305/0315]
liebenswuͤrdigen und gutmuͤthigen Leichtglaͤubig¬
keit hat, da ſagt man mit Recht, es mache ſelig,
und denjenigen Unglauben, welcher aus der an¬
deren Quelle herruͤhrt, kann man billig unſelig
nennen. Allein mit der eigentlichen dogmatiſchen
Lehre vom Glauben haben beide rein Nichts zu
thun; denn waͤhrend es chriſtlich Glaͤubige giebt,
welche in allen anderen Dingen die unangenehm¬
ſten Bezweifler und Bemaͤkler ſind, gibt es eben
ſo viele Unglaͤubige, ſogar Atheiſten, welche ſonſt
an alles Hoffnungsvolle und Erfreuliche mit all¬
bereiter Leichtigkeit glauben, und es iſt ein be¬
liebtes Argument der chriſtlichen Polemiker, daß
ſie Solchen hoͤhniſch vorhalten, wie ſie jeden auf¬
fallenden Quark als baare Muͤnze annaͤhmen und
ſich von Illuſionen naͤhrten, waͤhrend ſie nur das
Große und Eine nicht glauben wollten. So
haben wir das komiſche Schauſpiel, wie Men¬
ſchen ſich der abſtracteſten aller Ideologieen hin¬
geben, um nachher Jeden, der an etwas erreich¬
bar Gutes und Schoͤnes glaubt, einen Ideologen
zu nennen; ſie bilden eine eigene wunderliche
Bank der Spoͤtter, vom Caͤſar Napoleon bis
II. 20
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/315>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.