als ob sie ein Wochenlohn wären und ich sie sämmtlich in der Hosentasche hätte, so kann ich darunter kein Verdienst des Glaubens entdecken, und wenn ich mich auf den Kopf stelle und den Maiblümchen unter den Kelch hinaufgucke, so kann ich nichts Verdienstliches am Glauben aus¬ findig machen. Wer an eine Sache glaubt, kann ein guter Mann sein, wer nicht, ein ebenso guter. Wenn ich zweifle, ob zwei mal zwei vier seien, so sind es darum nicht minder vier, und wenn ich glaube, daß zwei mal zwei vier seien, so habe ich mir darauf gar Nichts einzubilden und kein Mensch wird mich darum loben. Wenn Gott eine Welt geschaffen und mit denkenden Wesen bevölkert hätte, darauf sich in einen undurchdringlichen Schleier gehüllt, das geschaffene Geschlecht aber in Elend und Sünde verkommen lassen, hierauf einzelnen Menschen auf außerordentliche und wun¬ derbare Weise sich offenbart, auch einen Erlöser gesendet unter Umständen, welche nachher mit dem Verstande nicht mehr begriffen werden konn¬ ten, von dem Glauben daran aber die Rettung und Glückseligkeit aller Creatur abhängig gemacht
als ob ſie ein Wochenlohn waͤren und ich ſie ſaͤmmtlich in der Hoſentaſche haͤtte, ſo kann ich darunter kein Verdienſt des Glaubens entdecken, und wenn ich mich auf den Kopf ſtelle und den Maibluͤmchen unter den Kelch hinaufgucke, ſo kann ich nichts Verdienſtliches am Glauben aus¬ findig machen. Wer an eine Sache glaubt, kann ein guter Mann ſein, wer nicht, ein ebenſo guter. Wenn ich zweifle, ob zwei mal zwei vier ſeien, ſo ſind es darum nicht minder vier, und wenn ich glaube, daß zwei mal zwei vier ſeien, ſo habe ich mir darauf gar Nichts einzubilden und kein Menſch wird mich darum loben. Wenn Gott eine Welt geſchaffen und mit denkenden Weſen bevoͤlkert haͤtte, darauf ſich in einen undurchdringlichen Schleier gehuͤllt, das geſchaffene Geſchlecht aber in Elend und Suͤnde verkommen laſſen, hierauf einzelnen Menſchen auf außerordentliche und wun¬ derbare Weiſe ſich offenbart, auch einen Erloͤſer geſendet unter Umſtaͤnden, welche nachher mit dem Verſtande nicht mehr begriffen werden konn¬ ten, von dem Glauben daran aber die Rettung und Gluͤckſeligkeit aller Creatur abhaͤngig gemacht
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0312"n="302"/>
als ob ſie ein Wochenlohn waͤren und ich ſie<lb/>ſaͤmmtlich in der Hoſentaſche haͤtte, ſo kann ich<lb/>
darunter kein Verdienſt des Glaubens entdecken,<lb/>
und wenn ich mich auf den Kopf ſtelle und den<lb/>
Maibluͤmchen unter den Kelch hinaufgucke, ſo<lb/>
kann ich nichts Verdienſtliches am Glauben aus¬<lb/>
findig machen. Wer an eine Sache glaubt, kann<lb/>
ein guter Mann ſein, wer nicht, ein ebenſo guter.<lb/>
Wenn ich zweifle, ob zwei mal zwei vier ſeien,<lb/>ſo ſind es darum nicht minder vier, und wenn ich<lb/>
glaube, daß zwei mal zwei vier ſeien, ſo habe ich<lb/>
mir darauf gar Nichts einzubilden und kein Menſch<lb/>
wird mich darum loben. Wenn Gott eine Welt<lb/>
geſchaffen und mit denkenden Weſen bevoͤlkert<lb/>
haͤtte, darauf ſich in einen undurchdringlichen<lb/>
Schleier gehuͤllt, das geſchaffene Geſchlecht aber<lb/>
in Elend und Suͤnde verkommen laſſen, hierauf<lb/>
einzelnen Menſchen auf außerordentliche und wun¬<lb/>
derbare Weiſe ſich offenbart, auch einen Erloͤſer<lb/>
geſendet unter Umſtaͤnden, welche nachher mit<lb/>
dem Verſtande nicht mehr begriffen werden konn¬<lb/>
ten, von dem Glauben daran aber die Rettung<lb/>
und Gluͤckſeligkeit aller Creatur abhaͤngig gemacht<lb/></p></div></body></text></TEI>
[302/0312]
als ob ſie ein Wochenlohn waͤren und ich ſie
ſaͤmmtlich in der Hoſentaſche haͤtte, ſo kann ich
darunter kein Verdienſt des Glaubens entdecken,
und wenn ich mich auf den Kopf ſtelle und den
Maibluͤmchen unter den Kelch hinaufgucke, ſo
kann ich nichts Verdienſtliches am Glauben aus¬
findig machen. Wer an eine Sache glaubt, kann
ein guter Mann ſein, wer nicht, ein ebenſo guter.
Wenn ich zweifle, ob zwei mal zwei vier ſeien,
ſo ſind es darum nicht minder vier, und wenn ich
glaube, daß zwei mal zwei vier ſeien, ſo habe ich
mir darauf gar Nichts einzubilden und kein Menſch
wird mich darum loben. Wenn Gott eine Welt
geſchaffen und mit denkenden Weſen bevoͤlkert
haͤtte, darauf ſich in einen undurchdringlichen
Schleier gehuͤllt, das geſchaffene Geſchlecht aber
in Elend und Suͤnde verkommen laſſen, hierauf
einzelnen Menſchen auf außerordentliche und wun¬
derbare Weiſe ſich offenbart, auch einen Erloͤſer
geſendet unter Umſtaͤnden, welche nachher mit
dem Verſtande nicht mehr begriffen werden konn¬
ten, von dem Glauben daran aber die Rettung
und Gluͤckſeligkeit aller Creatur abhaͤngig gemacht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/312>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.