Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.eine Frau nehmen. Von Jahrhundert zu Jahr¬ Welchen Boden die ausgestreute Lehre in dem eine Frau nehmen. Von Jahrhundert zu Jahr¬ Welchen Boden die ausgeſtreute Lehre in dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0305" n="295"/> eine Frau nehmen. Von Jahrhundert zu Jahr¬<lb/> hundert war dies ſo geuͤbt und die verſchiedene<lb/> Auslegung der poetiſchen Vorſtellung hatte ſchon<lb/> ein Meer von Blut gekoſtet, der jetzige Umfang<lb/> und Beſtand unſeres Staates war groͤßtentheils<lb/> eine Folge jener Kaͤmpfe, ſo daß fuͤr uns die<lb/> Welt des Traumes auf das Engſte mit der merk¬<lb/> lichſten und greifbarſten Wirklichkeit verbunden<lb/> war. Was als geſchichtliches Document vergan¬<lb/> gener Geiſtestraͤume von der groͤßten poetiſchen<lb/> Meiſterſchaft und kuͤnſtleriſchen Vernunftmaͤßigkeit<lb/> war, wenn man es unbefangen betrachten durfte,<lb/> das wurde als aufgedrungene gegenwaͤrtige<lb/> Realitaͤt mit Einem Schlage zu einem beaͤngſti¬<lb/> genden Unſinn, und es ward mir zu Muthe, wenn<lb/> ich den widerſpruchloſen Ernſt ſah, mit welchem<lb/> ohne Mienenverzug das Fabelhafte behandelt<lb/> wurde, als ob von alten Leuten ein Kinderſpiel<lb/> mit Blumen getrieben wuͤrde, bei welchem jeder<lb/> Fehler und jedes Laͤcheln Todesſtrafe nach<lb/> ſich zog.</p><lb/> <p>Welchen Boden die ausgeſtreute Lehre in dem<lb/> Herzen jedes Einzelnen fand, war nicht zu mer¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [295/0305]
eine Frau nehmen. Von Jahrhundert zu Jahr¬
hundert war dies ſo geuͤbt und die verſchiedene
Auslegung der poetiſchen Vorſtellung hatte ſchon
ein Meer von Blut gekoſtet, der jetzige Umfang
und Beſtand unſeres Staates war groͤßtentheils
eine Folge jener Kaͤmpfe, ſo daß fuͤr uns die
Welt des Traumes auf das Engſte mit der merk¬
lichſten und greifbarſten Wirklichkeit verbunden
war. Was als geſchichtliches Document vergan¬
gener Geiſtestraͤume von der groͤßten poetiſchen
Meiſterſchaft und kuͤnſtleriſchen Vernunftmaͤßigkeit
war, wenn man es unbefangen betrachten durfte,
das wurde als aufgedrungene gegenwaͤrtige
Realitaͤt mit Einem Schlage zu einem beaͤngſti¬
genden Unſinn, und es ward mir zu Muthe, wenn
ich den widerſpruchloſen Ernſt ſah, mit welchem
ohne Mienenverzug das Fabelhafte behandelt
wurde, als ob von alten Leuten ein Kinderſpiel
mit Blumen getrieben wuͤrde, bei welchem jeder
Fehler und jedes Laͤcheln Todesſtrafe nach
ſich zog.
Welchen Boden die ausgeſtreute Lehre in dem
Herzen jedes Einzelnen fand, war nicht zu mer¬
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