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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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der Schulzeit dergleichen nicht mehr geübt. Nicht
daß ich gänzlich unfügsam war für irgend eine
Disciplin, wenn ich einen nothwendigen und ver¬
nünftigen Zweck einsah; denn als ich zwei Jahre
später meiner Militärpflicht genügen und als Re¬
crut mich an bestimmten Tagen auf die Minute
am Sammelplatze einfinden mußte, um mich nach
dem Willen eines versoffenen Exercirmeisters
sechs Stunden lang auf dem Absatze herumzu¬
drehen, da that ich dies mit dem größten Ver¬
gnügen und war ängstlich bestrebt, mir das Lob
des alten Commißbruders zu erwerben. Allein
hier galt es, sich zur Vertheidigung des Vater¬
landes und seiner Freiheit fähig zu machen; das
Land war sichtbar, ich stand darauf und nährte
mich von seiner Frucht. -- Dort aber mußte
ich mich gewaltsam aus Schlaf und Traum reißen,
um in der düsteren Stube zwischen langen Reihen
einer Schaar anderer schlaftrunkener Jünglinge
das allerfabelhafteste Traumleben zu führen unter
dem eintönigen Befehl eines weichlichen Schwarz¬
rockes, mit dem ich sonst auf der Welt Nichts
zu schaffen hatte.

der Schulzeit dergleichen nicht mehr geuͤbt. Nicht
daß ich gaͤnzlich unfuͤgſam war fuͤr irgend eine
Disciplin, wenn ich einen nothwendigen und ver¬
nuͤnftigen Zweck einſah; denn als ich zwei Jahre
ſpaͤter meiner Militaͤrpflicht genuͤgen und als Re¬
crut mich an beſtimmten Tagen auf die Minute
am Sammelplatze einfinden mußte, um mich nach
dem Willen eines verſoffenen Exercirmeiſters
ſechs Stunden lang auf dem Abſatze herumzu¬
drehen, da that ich dies mit dem groͤßten Ver¬
gnuͤgen und war aͤngſtlich beſtrebt, mir das Lob
des alten Commißbruders zu erwerben. Allein
hier galt es, ſich zur Vertheidigung des Vater¬
landes und ſeiner Freiheit faͤhig zu machen; das
Land war ſichtbar, ich ſtand darauf und naͤhrte
mich von ſeiner Frucht. — Dort aber mußte
ich mich gewaltſam aus Schlaf und Traum reißen,
um in der duͤſteren Stube zwiſchen langen Reihen
einer Schaar anderer ſchlaftrunkener Juͤnglinge
das allerfabelhafteſte Traumleben zu fuͤhren unter
dem eintoͤnigen Befehl eines weichlichen Schwarz¬
rockes, mit dem ich ſonſt auf der Welt Nichts
zu ſchaffen hatte.

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[293/0303] der Schulzeit dergleichen nicht mehr geuͤbt. Nicht daß ich gaͤnzlich unfuͤgſam war fuͤr irgend eine Disciplin, wenn ich einen nothwendigen und ver¬ nuͤnftigen Zweck einſah; denn als ich zwei Jahre ſpaͤter meiner Militaͤrpflicht genuͤgen und als Re¬ crut mich an beſtimmten Tagen auf die Minute am Sammelplatze einfinden mußte, um mich nach dem Willen eines verſoffenen Exercirmeiſters ſechs Stunden lang auf dem Abſatze herumzu¬ drehen, da that ich dies mit dem groͤßten Ver¬ gnuͤgen und war aͤngſtlich beſtrebt, mir das Lob des alten Commißbruders zu erwerben. Allein hier galt es, ſich zur Vertheidigung des Vater¬ landes und ſeiner Freiheit faͤhig zu machen; das Land war ſichtbar, ich ſtand darauf und naͤhrte mich von ſeiner Frucht. — Dort aber mußte ich mich gewaltſam aus Schlaf und Traum reißen, um in der duͤſteren Stube zwiſchen langen Reihen einer Schaar anderer ſchlaftrunkener Juͤnglinge das allerfabelhafteſte Traumleben zu fuͤhren unter dem eintoͤnigen Befehl eines weichlichen Schwarz¬ rockes, mit dem ich ſonſt auf der Welt Nichts zu ſchaffen hatte.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/303>, abgerufen am 24.11.2024.