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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Indessen war die Ernte längst vorüber und
ich mußte an die Rückkehr denken. Mein Oheim
wollte mich diesmal nach der Stadt bringen
und zugleich seine Töchter mitnehmen, von denen
die zwei jüngeren noch gar nie dort gewesen.
Er ließ eine alte Kutsche bespannen, welche seit
Menschengedenken im Wirthshause stand, und so
fuhren wir davon, die Töchter in ihrem besten
Staate, zum Erstaunen aller Dorfschaften, durch
welche wir kamen. Der Oheim fuhr am gleichen
Tage mit Margot zurück, Lisette und Caton
blieben eine Woche bei uns, wo die Reihe an
ihnen war, die Blöden und Schüchternen zu
spielen, denn ich zeigte ihnen mit wichtiger Miene
alle Herrlichkeiten der Stadt und that, als ob
mir dies Alles gehörte. Nicht lange nachdem sie
fort waren, kam eines Morgens ein leichtes Fuhr¬
werk vor unser Haus gerollt und herausstiegen
der Schulmeister und sein Töchterchen, letzteres
durch einen fliegenden grünen Schleier gegen die
scharfe Herbstluft geschützt. Eine lieblichere Ueber¬
raschung hätte mir gar nicht widerfahren können,
und meine Mutter hatte die größte Freude an

II. 19

Indeſſen war die Ernte laͤngſt voruͤber und
ich mußte an die Ruͤckkehr denken. Mein Oheim
wollte mich diesmal nach der Stadt bringen
und zugleich ſeine Toͤchter mitnehmen, von denen
die zwei juͤngeren noch gar nie dort geweſen.
Er ließ eine alte Kutſche beſpannen, welche ſeit
Menſchengedenken im Wirthshauſe ſtand, und ſo
fuhren wir davon, die Toͤchter in ihrem beſten
Staate, zum Erſtaunen aller Dorfſchaften, durch
welche wir kamen. Der Oheim fuhr am gleichen
Tage mit Margot zuruͤck, Liſette und Caton
blieben eine Woche bei uns, wo die Reihe an
ihnen war, die Bloͤden und Schuͤchternen zu
ſpielen, denn ich zeigte ihnen mit wichtiger Miene
alle Herrlichkeiten der Stadt und that, als ob
mir dies Alles gehoͤrte. Nicht lange nachdem ſie
fort waren, kam eines Morgens ein leichtes Fuhr¬
werk vor unſer Haus gerollt und herausſtiegen
der Schulmeiſter und ſein Toͤchterchen, letzteres
durch einen fliegenden gruͤnen Schleier gegen die
ſcharfe Herbſtluft geſchuͤtzt. Eine lieblichere Ueber¬
raſchung haͤtte mir gar nicht widerfahren koͤnnen,
und meine Mutter hatte die groͤßte Freude an

II. 19
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[289/0299] Indeſſen war die Ernte laͤngſt voruͤber und ich mußte an die Ruͤckkehr denken. Mein Oheim wollte mich diesmal nach der Stadt bringen und zugleich ſeine Toͤchter mitnehmen, von denen die zwei juͤngeren noch gar nie dort geweſen. Er ließ eine alte Kutſche beſpannen, welche ſeit Menſchengedenken im Wirthshauſe ſtand, und ſo fuhren wir davon, die Toͤchter in ihrem beſten Staate, zum Erſtaunen aller Dorfſchaften, durch welche wir kamen. Der Oheim fuhr am gleichen Tage mit Margot zuruͤck, Liſette und Caton blieben eine Woche bei uns, wo die Reihe an ihnen war, die Bloͤden und Schuͤchternen zu ſpielen, denn ich zeigte ihnen mit wichtiger Miene alle Herrlichkeiten der Stadt und that, als ob mir dies Alles gehoͤrte. Nicht lange nachdem ſie fort waren, kam eines Morgens ein leichtes Fuhr¬ werk vor unſer Haus gerollt und herausſtiegen der Schulmeiſter und ſein Toͤchterchen, letzteres durch einen fliegenden gruͤnen Schleier gegen die ſcharfe Herbſtluft geſchuͤtzt. Eine lieblichere Ueber¬ raſchung haͤtte mir gar nicht widerfahren koͤnnen, und meine Mutter hatte die groͤßte Freude an II. 19

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/299>, abgerufen am 27.11.2024.