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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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ließ mich erst eine Weile stehen und wollte das
Papier nicht nehmen; erst als ich eben links ab¬
schwenken wollte, nahm sie es rasch und warf
es neben sich auf den Tisch.

Mein Witz war indessen zu Ende und ich
suchte mit guter Manier aus der Laube zu kom¬
men. Mit einer zweiten scherzhaften Verbeu¬
gung empfahl ich mich, sämmtliche Mädchen
standen zierlich auf und entließen mich unter
spöttisch-höflichen Verneigungen. Der Spott
kam von ihrem weiblichen Grolle, daß sie mich
nicht gedemüthigt und untergekriegt hatten, die
Höflichkeit von der Achtung, welche ihnen mein
Benehmen einflößte; denn während das Bild
sowohl wie das beschriebene Blatt von dem Vor¬
handensein einer bestimmten Neigung zeugten,
war ich doch nicht aufdringlich und schwächlich
mit derselben und hatte trotz der Oeffentlichkeit
der Verhandlung das eigentliche zarte Geheimniß
so zu schützen gewußt, daß unter dem Mantel
des Scherzes nicht nur ich, sondern auch Anna
die volle Freiheit behalten hatte, anzuerkennen,
was ihr beliebte.

ließ mich erſt eine Weile ſtehen und wollte das
Papier nicht nehmen; erſt als ich eben links ab¬
ſchwenken wollte, nahm ſie es raſch und warf
es neben ſich auf den Tiſch.

Mein Witz war indeſſen zu Ende und ich
ſuchte mit guter Manier aus der Laube zu kom¬
men. Mit einer zweiten ſcherzhaften Verbeu¬
gung empfahl ich mich, ſaͤmmtliche Maͤdchen
ſtanden zierlich auf und entließen mich unter
ſpoͤttiſch-hoͤflichen Verneigungen. Der Spott
kam von ihrem weiblichen Grolle, daß ſie mich
nicht gedemuͤthigt und untergekriegt hatten, die
Hoͤflichkeit von der Achtung, welche ihnen mein
Benehmen einfloͤßte; denn waͤhrend das Bild
ſowohl wie das beſchriebene Blatt von dem Vor¬
handenſein einer beſtimmten Neigung zeugten,
war ich doch nicht aufdringlich und ſchwaͤchlich
mit derſelben und hatte trotz der Oeffentlichkeit
der Verhandlung das eigentliche zarte Geheimniß
ſo zu ſchuͤtzen gewußt, daß unter dem Mantel
des Scherzes nicht nur ich, ſondern auch Anna
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was ihr beliebte.

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[279/0289] ließ mich erſt eine Weile ſtehen und wollte das Papier nicht nehmen; erſt als ich eben links ab¬ ſchwenken wollte, nahm ſie es raſch und warf es neben ſich auf den Tiſch. Mein Witz war indeſſen zu Ende und ich ſuchte mit guter Manier aus der Laube zu kom¬ men. Mit einer zweiten ſcherzhaften Verbeu¬ gung empfahl ich mich, ſaͤmmtliche Maͤdchen ſtanden zierlich auf und entließen mich unter ſpoͤttiſch-hoͤflichen Verneigungen. Der Spott kam von ihrem weiblichen Grolle, daß ſie mich nicht gedemuͤthigt und untergekriegt hatten, die Hoͤflichkeit von der Achtung, welche ihnen mein Benehmen einfloͤßte; denn waͤhrend das Bild ſowohl wie das beſchriebene Blatt von dem Vor¬ handenſein einer beſtimmten Neigung zeugten, war ich doch nicht aufdringlich und ſchwaͤchlich mit derſelben und hatte trotz der Oeffentlichkeit der Verhandlung das eigentliche zarte Geheimniß ſo zu ſchuͤtzen gewußt, daß unter dem Mantel des Scherzes nicht nur ich, ſondern auch Anna die volle Freiheit behalten hatte, anzuerkennen, was ihr beliebte.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/289>, abgerufen am 23.11.2024.