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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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alten Weibern umher, und er triumphirte um so
lauter, je übler er von ihren Zungen und Hän¬
den zugerichtet wurde, wenn er ihnen weiber¬
schmähende Aussprüche aus der Bibel und welt¬
liche Argumente an den Kopf warf. Ich hin¬
gegen räumte das Feld, wenn mir die Sache zu
arg wurde, oder ich stellte mich, als ob ich nicht
ungeneigt wäre, mich belehren und bekehren zu
lassen. Wenn ich vollends mit einem der Mäd¬
chen ganz allein war, so wurde stets ein Waf¬
fenstillstand geschlossen und ich war immer halb
bereit, unsere Sache zu verrathen und mich unter
den Schutz des Feindes zu stellen. Jedoch muß ich
diese Neigung schlecht zu äußeren gewußt haben,
denn niemals schien man sie zu bemerken und
ich mußte zufrieden sein, sonst ein vernünftiges
Wort zu wechseln. Ich wünschte durch diesen
gemäßigten und freundlichen Verkehr allmälig
dahin zu gelangen, auch mit Anna wieder im
Einzelnen und allein zu sprechen, und glaubte dies
thörichter Weise immer am besten auf weitläufigem
Wege zu bewerkstelligen, indem ich mich an die
Anderen hielt, statt Anna einfach einmal bei

alten Weibern umher, und er triumphirte um ſo
lauter, je uͤbler er von ihren Zungen und Haͤn¬
den zugerichtet wurde, wenn er ihnen weiber¬
ſchmaͤhende Ausſpruͤche aus der Bibel und welt¬
liche Argumente an den Kopf warf. Ich hin¬
gegen raͤumte das Feld, wenn mir die Sache zu
arg wurde, oder ich ſtellte mich, als ob ich nicht
ungeneigt waͤre, mich belehren und bekehren zu
laſſen. Wenn ich vollends mit einem der Maͤd¬
chen ganz allein war, ſo wurde ſtets ein Waf¬
fenſtillſtand geſchloſſen und ich war immer halb
bereit, unſere Sache zu verrathen und mich unter
den Schutz des Feindes zu ſtellen. Jedoch muß ich
dieſe Neigung ſchlecht zu aͤußeren gewußt haben,
denn niemals ſchien man ſie zu bemerken und
ich mußte zufrieden ſein, ſonſt ein vernuͤnftiges
Wort zu wechſeln. Ich wuͤnſchte durch dieſen
gemaͤßigten und freundlichen Verkehr allmaͤlig
dahin zu gelangen, auch mit Anna wieder im
Einzelnen und allein zu ſprechen, und glaubte dies
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[264/0274] alten Weibern umher, und er triumphirte um ſo lauter, je uͤbler er von ihren Zungen und Haͤn¬ den zugerichtet wurde, wenn er ihnen weiber¬ ſchmaͤhende Ausſpruͤche aus der Bibel und welt¬ liche Argumente an den Kopf warf. Ich hin¬ gegen raͤumte das Feld, wenn mir die Sache zu arg wurde, oder ich ſtellte mich, als ob ich nicht ungeneigt waͤre, mich belehren und bekehren zu laſſen. Wenn ich vollends mit einem der Maͤd¬ chen ganz allein war, ſo wurde ſtets ein Waf¬ fenſtillſtand geſchloſſen und ich war immer halb bereit, unſere Sache zu verrathen und mich unter den Schutz des Feindes zu ſtellen. Jedoch muß ich dieſe Neigung ſchlecht zu aͤußeren gewußt haben, denn niemals ſchien man ſie zu bemerken und ich mußte zufrieden ſein, ſonſt ein vernuͤnftiges Wort zu wechſeln. Ich wuͤnſchte durch dieſen gemaͤßigten und freundlichen Verkehr allmaͤlig dahin zu gelangen, auch mit Anna wieder im Einzelnen und allein zu ſprechen, und glaubte dies thoͤrichter Weiſe immer am beſten auf weitlaͤufigem Wege zu bewerkſtelligen, indem ich mich an die Anderen hielt, ſtatt Anna einfach einmal bei

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/274>, abgerufen am 23.11.2024.