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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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er wirklich, aber dies Leben war seiner großen Ju¬
gend wegen eine allerliebste Travestie in Miniatur.
Gleich einem Staare wußte er alle Systeme von
Thales bis auf heute herzusagen, allein er ver¬
stand sie immer im wörtlichsten und sinnlichsten
Sinn, wobei besonders seine Auffassung der Gleich¬
nisse und Bilder einen komischen Unfug hervor¬
brachte. Wenn er von Spinoza sprach, so war
ihm nicht etwa die Idee aller möglichen Stühle
der Welt, als ein Stück zweckmäßig gebrauchter
Materie, der Modus, sondern der einzelne Stuhl,
der gerade vor ihm stand, war ihm der fertige
und vollständige Modus, in welchem die göttliche
Substanz in wirklichster Gegenwart steckte, und
der Stuhl wurde dadurch geheiligt. Bei Leibnitz
fiel ihm nicht etwa die Welt in einem gräulichen
Monadenstaub auseinander, sondern die Kaffee¬
kanne auf dem Tisch, mit welcher er gerade exem¬
plirte, drohte auseinander zu gehen und der Kaffee,
welcher im Gleichniß nicht mitbegriffen, auf den
Tisch zu fließen, so daß der Philosoph sich beei¬
len mußte, durch die prästabilirte Harmonie die
Kanne zusammenzuhalten, wenn wir den erquicken¬

er wirklich, aber dies Leben war ſeiner großen Ju¬
gend wegen eine allerliebſte Traveſtie in Miniatur.
Gleich einem Staare wußte er alle Syſteme von
Thales bis auf heute herzuſagen, allein er ver¬
ſtand ſie immer im woͤrtlichſten und ſinnlichſten
Sinn, wobei beſonders ſeine Auffaſſung der Gleich¬
niſſe und Bilder einen komiſchen Unfug hervor¬
brachte. Wenn er von Spinoza ſprach, ſo war
ihm nicht etwa die Idee aller moͤglichen Stuͤhle
der Welt, als ein Stuͤck zweckmaͤßig gebrauchter
Materie, der Modus, ſondern der einzelne Stuhl,
der gerade vor ihm ſtand, war ihm der fertige
und vollſtaͤndige Modus, in welchem die goͤttliche
Subſtanz in wirklichſter Gegenwart ſteckte, und
der Stuhl wurde dadurch geheiligt. Bei Leibnitz
fiel ihm nicht etwa die Welt in einem graͤulichen
Monadenſtaub auseinander, ſondern die Kaffee¬
kanne auf dem Tiſch, mit welcher er gerade exem¬
plirte, drohte auseinander zu gehen und der Kaffee,
welcher im Gleichniß nicht mitbegriffen, auf den
Tiſch zu fließen, ſo daß der Philoſoph ſich beei¬
len mußte, durch die praͤſtabilirte Harmonie die
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[255/0265] er wirklich, aber dies Leben war ſeiner großen Ju¬ gend wegen eine allerliebſte Traveſtie in Miniatur. Gleich einem Staare wußte er alle Syſteme von Thales bis auf heute herzuſagen, allein er ver¬ ſtand ſie immer im woͤrtlichſten und ſinnlichſten Sinn, wobei beſonders ſeine Auffaſſung der Gleich¬ niſſe und Bilder einen komiſchen Unfug hervor¬ brachte. Wenn er von Spinoza ſprach, ſo war ihm nicht etwa die Idee aller moͤglichen Stuͤhle der Welt, als ein Stuͤck zweckmaͤßig gebrauchter Materie, der Modus, ſondern der einzelne Stuhl, der gerade vor ihm ſtand, war ihm der fertige und vollſtaͤndige Modus, in welchem die goͤttliche Subſtanz in wirklichſter Gegenwart ſteckte, und der Stuhl wurde dadurch geheiligt. Bei Leibnitz fiel ihm nicht etwa die Welt in einem graͤulichen Monadenſtaub auseinander, ſondern die Kaffee¬ kanne auf dem Tiſch, mit welcher er gerade exem¬ plirte, drohte auseinander zu gehen und der Kaffee, welcher im Gleichniß nicht mitbegriffen, auf den Tiſch zu fließen, ſo daß der Philoſoph ſich beei¬ len mußte, durch die praͤſtabilirte Harmonie die Kanne zuſammenzuhalten, wenn wir den erquicken¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/265>, abgerufen am 23.11.2024.