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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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ein sicheres Zeichen davon wäre mein unruhiger
Schlaf, man hätte am Morgen mein Bett im
allersonderbarsten Zustande gefunden, die Lein¬
tücher ganz verwickelt, so daß zu vermuthen, ich
habe mich die ganze Nacht um mich selbst ge¬
dreht wie eine Spindel. Scheinbar besorgt fragte
Margot, ob ich in der That nicht gut geschlafen
habe? Wenn dem so wäre, so wüßte sie aller¬
dings nicht, was sie von mir halten müßte. Sie
wolle inzwischen hoffen, daß ich nicht ein solcher
Heuchler sei und den Mädchenfeind mache, wäh¬
rend ich vor Liebe nicht wüßte, wo hinaus! Ueber¬
dies wäre ich doch noch zu jung für solche Ge¬
danken. Lisette erwiederte, eben das sei das Un¬
glück, daß ein Grünschnabel wie ich schon so
heftig verliebt sei, daß er nicht einmal mehr schla¬
fen könne. Diese letzte Rede brachte mich endlich
auf und ich rief: "Wenn ich nicht schlafen konnte,
so geschah das, weil ich durch Euere eigene Ver¬
liebtheit die ganze Nacht gestört wurde, und ich
habe wenigstens nicht allein gewacht!" "O gewiß
sind wir auch verliebt, bis über die Ohren!"
sagten sie etwas betroffen, faßten sich aber so¬

ein ſicheres Zeichen davon waͤre mein unruhiger
Schlaf, man haͤtte am Morgen mein Bett im
allerſonderbarſten Zuſtande gefunden, die Lein¬
tuͤcher ganz verwickelt, ſo daß zu vermuthen, ich
habe mich die ganze Nacht um mich ſelbſt ge¬
dreht wie eine Spindel. Scheinbar beſorgt fragte
Margot, ob ich in der That nicht gut geſchlafen
habe? Wenn dem ſo waͤre, ſo wuͤßte ſie aller¬
dings nicht, was ſie von mir halten muͤßte. Sie
wolle inzwiſchen hoffen, daß ich nicht ein ſolcher
Heuchler ſei und den Maͤdchenfeind mache, waͤh¬
rend ich vor Liebe nicht wuͤßte, wo hinaus! Ueber¬
dies waͤre ich doch noch zu jung fuͤr ſolche Ge¬
danken. Liſette erwiederte, eben das ſei das Un¬
gluͤck, daß ein Gruͤnſchnabel wie ich ſchon ſo
heftig verliebt ſei, daß er nicht einmal mehr ſchla¬
fen koͤnne. Dieſe letzte Rede brachte mich endlich
auf und ich rief: »Wenn ich nicht ſchlafen konnte,
ſo geſchah das, weil ich durch Euere eigene Ver¬
liebtheit die ganze Nacht geſtoͤrt wurde, und ich
habe wenigſtens nicht allein gewacht!« »O gewiß
ſind wir auch verliebt, bis uͤber die Ohren!«
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[249/0259] ein ſicheres Zeichen davon waͤre mein unruhiger Schlaf, man haͤtte am Morgen mein Bett im allerſonderbarſten Zuſtande gefunden, die Lein¬ tuͤcher ganz verwickelt, ſo daß zu vermuthen, ich habe mich die ganze Nacht um mich ſelbſt ge¬ dreht wie eine Spindel. Scheinbar beſorgt fragte Margot, ob ich in der That nicht gut geſchlafen habe? Wenn dem ſo waͤre, ſo wuͤßte ſie aller¬ dings nicht, was ſie von mir halten muͤßte. Sie wolle inzwiſchen hoffen, daß ich nicht ein ſolcher Heuchler ſei und den Maͤdchenfeind mache, waͤh¬ rend ich vor Liebe nicht wuͤßte, wo hinaus! Ueber¬ dies waͤre ich doch noch zu jung fuͤr ſolche Ge¬ danken. Liſette erwiederte, eben das ſei das Un¬ gluͤck, daß ein Gruͤnſchnabel wie ich ſchon ſo heftig verliebt ſei, daß er nicht einmal mehr ſchla¬ fen koͤnne. Dieſe letzte Rede brachte mich endlich auf und ich rief: »Wenn ich nicht ſchlafen konnte, ſo geſchah das, weil ich durch Euere eigene Ver¬ liebtheit die ganze Nacht geſtoͤrt wurde, und ich habe wenigſtens nicht allein gewacht!« »O gewiß ſind wir auch verliebt, bis uͤber die Ohren!« ſagten ſie etwas betroffen, faßten ſich aber ſo¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/259>, abgerufen am 23.11.2024.