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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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der Kopf gut war, und umgekehrt. Ich ließ sie
auch bald unbedient sitzen und freute mich unbe¬
schwert ihrer Nähe; aber der Oheim weckte mich
aus diesem Vergnügen, indem er mich aufforderte,
Anna einen Hechtkopf auseinander zu legen und
ihr die Symbole des Leidens Christi zu zeigen,
welche darin enthalten sein sollten. Allein ich
hatte diesen Kopf unbesehens gegessen, obschon
man früher davon gesprochen, und stellte mich
nun zugleich als einen unwissenden Heiden dar;
darüber ärgerlich, ergriff ich mit der Faust den
mittlerweile entblößten Schinkenknochen, hielt ihn
der Anna unter die Augen und sagte, hier wäre
noch ein heiliger Nagel vom Kreuze. Ich behielt
nun freilich wieder Recht in den Augen der
Spötter, doch Anna hatte gerade solche Grobheit
nicht verdient, da sie mich nicht verspottet und
ganz still neben mir gesessen hatte. Sie wurde
über und über roth, ich fühlte augenblicklich mein
Unrecht und hätte aus Reue gern den Knochen
verschlungen. Verlegen legte ich ihn auf meinen
Teller und fügte noch ein paar schlechte Witze
hinzu. "Diese Reliquie," sagte ich, "würde aller¬

der Kopf gut war, und umgekehrt. Ich ließ ſie
auch bald unbedient ſitzen und freute mich unbe¬
ſchwert ihrer Naͤhe; aber der Oheim weckte mich
aus dieſem Vergnuͤgen, indem er mich aufforderte,
Anna einen Hechtkopf auseinander zu legen und
ihr die Symbole des Leidens Chriſti zu zeigen,
welche darin enthalten ſein ſollten. Allein ich
hatte dieſen Kopf unbeſehens gegeſſen, obſchon
man fruͤher davon geſprochen, und ſtellte mich
nun zugleich als einen unwiſſenden Heiden dar;
daruͤber aͤrgerlich, ergriff ich mit der Fauſt den
mittlerweile entbloͤßten Schinkenknochen, hielt ihn
der Anna unter die Augen und ſagte, hier waͤre
noch ein heiliger Nagel vom Kreuze. Ich behielt
nun freilich wieder Recht in den Augen der
Spoͤtter, doch Anna hatte gerade ſolche Grobheit
nicht verdient, da ſie mich nicht verſpottet und
ganz ſtill neben mir geſeſſen hatte. Sie wurde
uͤber und uͤber roth, ich fuͤhlte augenblicklich mein
Unrecht und haͤtte aus Reue gern den Knochen
verſchlungen. Verlegen legte ich ihn auf meinen
Teller und fuͤgte noch ein paar ſchlechte Witze
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[242/0252] der Kopf gut war, und umgekehrt. Ich ließ ſie auch bald unbedient ſitzen und freute mich unbe¬ ſchwert ihrer Naͤhe; aber der Oheim weckte mich aus dieſem Vergnuͤgen, indem er mich aufforderte, Anna einen Hechtkopf auseinander zu legen und ihr die Symbole des Leidens Chriſti zu zeigen, welche darin enthalten ſein ſollten. Allein ich hatte dieſen Kopf unbeſehens gegeſſen, obſchon man fruͤher davon geſprochen, und ſtellte mich nun zugleich als einen unwiſſenden Heiden dar; daruͤber aͤrgerlich, ergriff ich mit der Fauſt den mittlerweile entbloͤßten Schinkenknochen, hielt ihn der Anna unter die Augen und ſagte, hier waͤre noch ein heiliger Nagel vom Kreuze. Ich behielt nun freilich wieder Recht in den Augen der Spoͤtter, doch Anna hatte gerade ſolche Grobheit nicht verdient, da ſie mich nicht verſpottet und ganz ſtill neben mir geſeſſen hatte. Sie wurde uͤber und uͤber roth, ich fuͤhlte augenblicklich mein Unrecht und haͤtte aus Reue gern den Knochen verſchlungen. Verlegen legte ich ihn auf meinen Teller und fuͤgte noch ein paar ſchlechte Witze hinzu. »Dieſe Reliquie,« ſagte ich, »wuͤrde aller¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/252>, abgerufen am 23.11.2024.