waren auf's Billigste beschaffen und die Löffel von Zinn. Nach der Spitze der Tafel zu, wo der Oheim und die allfälligen Gäste saßen, ver¬ änderte sich die Gestalt dieser Dinge. Dort waren die Ergebnisse der Jagd oder des Fischfanges nebst anderen guten Dingen in kleinen Portionen aufgestellt: denn da die Muhme dem Zubereiten und Essen solcher Sachen nicht grün war, so behandelte sie dieselben apothekerhaft und zimpfer¬ lich, gleich einem Grobschmied, der eine Uhr zu¬ sammensetzen will. Auf einem bunten alten Por¬ zellanteller lag hier ein gebratener Vogel, dort ein Fisch, einige rothe Krebse oder ein feines Salätchen. Alter starker Wein stand in kleineren Flaschen, uralte Ziergläser der verschiedensten Form dabei; die Löffel waren von Silber und das übrige Besteck bestand aus den Trümmern früherer Herrlichkeit, hier ein Messer mit einem Elfenbein¬ hefte, dort eine komisch gezackte Gabel mit Email¬ griff. Aus dem Gewimmel dieser Zierlichkeiten ragte das ungeheure Brot wie ein Berg empor, als ein mächtiger Ausläufer des unteren Speisen¬ gebirges, dessen Anwohner sich an der Ausschlie߬
waren auf's Billigſte beſchaffen und die Loͤffel von Zinn. Nach der Spitze der Tafel zu, wo der Oheim und die allfaͤlligen Gaͤſte ſaßen, ver¬ aͤnderte ſich die Geſtalt dieſer Dinge. Dort waren die Ergebniſſe der Jagd oder des Fiſchfanges nebſt anderen guten Dingen in kleinen Portionen aufgeſtellt: denn da die Muhme dem Zubereiten und Eſſen ſolcher Sachen nicht gruͤn war, ſo behandelte ſie dieſelben apothekerhaft und zimpfer¬ lich, gleich einem Grobſchmied, der eine Uhr zu¬ ſammenſetzen will. Auf einem bunten alten Por¬ zellanteller lag hier ein gebratener Vogel, dort ein Fiſch, einige rothe Krebſe oder ein feines Salaͤtchen. Alter ſtarker Wein ſtand in kleineren Flaſchen, uralte Zierglaͤſer der verſchiedenſten Form dabei; die Loͤffel waren von Silber und das uͤbrige Beſteck beſtand aus den Truͤmmern fruͤherer Herrlichkeit, hier ein Meſſer mit einem Elfenbein¬ hefte, dort eine komiſch gezackte Gabel mit Email¬ griff. Aus dem Gewimmel dieſer Zierlichkeiten ragte das ungeheure Brot wie ein Berg empor, als ein maͤchtiger Auslaͤufer des unteren Speiſen¬ gebirges, deſſen Anwohner ſich an der Ausſchlie߬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0250"n="240"/>
waren auf's Billigſte beſchaffen und die Loͤffel<lb/>
von Zinn. Nach der Spitze der Tafel zu, wo<lb/>
der Oheim und die allfaͤlligen Gaͤſte ſaßen, ver¬<lb/>
aͤnderte ſich die Geſtalt dieſer Dinge. Dort waren<lb/>
die Ergebniſſe der Jagd oder des Fiſchfanges<lb/>
nebſt anderen guten Dingen in kleinen Portionen<lb/>
aufgeſtellt: denn da die Muhme dem Zubereiten<lb/>
und Eſſen ſolcher Sachen nicht gruͤn war, ſo<lb/>
behandelte ſie dieſelben apothekerhaft und zimpfer¬<lb/>
lich, gleich einem Grobſchmied, der eine Uhr zu¬<lb/>ſammenſetzen will. Auf einem bunten alten Por¬<lb/>
zellanteller lag hier ein gebratener Vogel, dort<lb/>
ein Fiſch, einige rothe Krebſe oder ein feines<lb/>
Salaͤtchen. Alter ſtarker Wein ſtand in kleineren<lb/>
Flaſchen, uralte Zierglaͤſer der verſchiedenſten Form<lb/>
dabei; die Loͤffel waren von Silber und das<lb/>
uͤbrige Beſteck beſtand aus den Truͤmmern fruͤherer<lb/>
Herrlichkeit, hier ein Meſſer mit einem Elfenbein¬<lb/>
hefte, dort eine komiſch gezackte Gabel mit Email¬<lb/>
griff. Aus dem Gewimmel dieſer Zierlichkeiten<lb/>
ragte das ungeheure Brot wie ein Berg empor,<lb/>
als ein maͤchtiger Auslaͤufer des unteren Speiſen¬<lb/>
gebirges, deſſen Anwohner ſich an der Ausſchlie߬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[240/0250]
waren auf's Billigſte beſchaffen und die Loͤffel
von Zinn. Nach der Spitze der Tafel zu, wo
der Oheim und die allfaͤlligen Gaͤſte ſaßen, ver¬
aͤnderte ſich die Geſtalt dieſer Dinge. Dort waren
die Ergebniſſe der Jagd oder des Fiſchfanges
nebſt anderen guten Dingen in kleinen Portionen
aufgeſtellt: denn da die Muhme dem Zubereiten
und Eſſen ſolcher Sachen nicht gruͤn war, ſo
behandelte ſie dieſelben apothekerhaft und zimpfer¬
lich, gleich einem Grobſchmied, der eine Uhr zu¬
ſammenſetzen will. Auf einem bunten alten Por¬
zellanteller lag hier ein gebratener Vogel, dort
ein Fiſch, einige rothe Krebſe oder ein feines
Salaͤtchen. Alter ſtarker Wein ſtand in kleineren
Flaſchen, uralte Zierglaͤſer der verſchiedenſten Form
dabei; die Loͤffel waren von Silber und das
uͤbrige Beſteck beſtand aus den Truͤmmern fruͤherer
Herrlichkeit, hier ein Meſſer mit einem Elfenbein¬
hefte, dort eine komiſch gezackte Gabel mit Email¬
griff. Aus dem Gewimmel dieſer Zierlichkeiten
ragte das ungeheure Brot wie ein Berg empor,
als ein maͤchtiger Auslaͤufer des unteren Speiſen¬
gebirges, deſſen Anwohner ſich an der Ausſchlie߬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/250>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.