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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Garten zu gehen, damit es der Himmel oder
sonst wer durch das offene Fenster lesen könne;
aber nur die völlige Sicherheit, daß jetzt doch
keine menschliche Seele in der Nähe sei, gab mir
diese Verwegenheit, mit welcher ich zwischen den
Beeten auf und nieder spazierte, nach dem Fen¬
ster hinauf schauend, hinter welchem meine schöne
Liebeserklärung lag. Ich glaubte etwas Rechtes
gethan zu haben und fühlte mich zufrieden und
befreit, verfügte mich aber bald wieder in die
Stube, da ich dem Frieden doch nicht recht traute,
und kam gerade dort an, als das Blatt, durch
den Luftzug getragen, zum Fenster hinaussäuselte.
Es setzte sich auf einem Apfelbaume nieder; ich
lief wieder in den Garten: dort sah ich es sich
erheben und mit einem gewaltigen Schusse auf
das Bienenhaus zufliegen, wo es hinter einem
vollen summenden Bienenkorbe sich fest klemmte
und verschwand. Ich näherte mich dem Korbe,
allein die Bienen waren, in Betracht der kurzen
Sommerzeit, polizeilich von der Sonntagsfeier
dispensirt und in vollster Bewegung und Thätig¬
keit begriffen; es summte und kreuzte sich vor

Garten zu gehen, damit es der Himmel oder
ſonſt wer durch das offene Fenſter leſen koͤnne;
aber nur die voͤllige Sicherheit, daß jetzt doch
keine menſchliche Seele in der Naͤhe ſei, gab mir
dieſe Verwegenheit, mit welcher ich zwiſchen den
Beeten auf und nieder ſpazierte, nach dem Fen¬
ſter hinauf ſchauend, hinter welchem meine ſchoͤne
Liebeserklaͤrung lag. Ich glaubte etwas Rechtes
gethan zu haben und fuͤhlte mich zufrieden und
befreit, verfuͤgte mich aber bald wieder in die
Stube, da ich dem Frieden doch nicht recht traute,
und kam gerade dort an, als das Blatt, durch
den Luftzug getragen, zum Fenſter hinausſaͤuſelte.
Es ſetzte ſich auf einem Apfelbaume nieder; ich
lief wieder in den Garten: dort ſah ich es ſich
erheben und mit einem gewaltigen Schuſſe auf
das Bienenhaus zufliegen, wo es hinter einem
vollen ſummenden Bienenkorbe ſich feſt klemmte
und verſchwand. Ich naͤherte mich dem Korbe,
allein die Bienen waren, in Betracht der kurzen
Sommerzeit, polizeilich von der Sonntagsfeier
dispenſirt und in vollſter Bewegung und Thaͤtig¬
keit begriffen; es ſummte und kreuzte ſich vor

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[237/0247] Garten zu gehen, damit es der Himmel oder ſonſt wer durch das offene Fenſter leſen koͤnne; aber nur die voͤllige Sicherheit, daß jetzt doch keine menſchliche Seele in der Naͤhe ſei, gab mir dieſe Verwegenheit, mit welcher ich zwiſchen den Beeten auf und nieder ſpazierte, nach dem Fen¬ ſter hinauf ſchauend, hinter welchem meine ſchoͤne Liebeserklaͤrung lag. Ich glaubte etwas Rechtes gethan zu haben und fuͤhlte mich zufrieden und befreit, verfuͤgte mich aber bald wieder in die Stube, da ich dem Frieden doch nicht recht traute, und kam gerade dort an, als das Blatt, durch den Luftzug getragen, zum Fenſter hinausſaͤuſelte. Es ſetzte ſich auf einem Apfelbaume nieder; ich lief wieder in den Garten: dort ſah ich es ſich erheben und mit einem gewaltigen Schuſſe auf das Bienenhaus zufliegen, wo es hinter einem vollen ſummenden Bienenkorbe ſich feſt klemmte und verſchwand. Ich naͤherte mich dem Korbe, allein die Bienen waren, in Betracht der kurzen Sommerzeit, polizeilich von der Sonntagsfeier dispenſirt und in vollſter Bewegung und Thaͤtig¬ keit begriffen; es ſummte und kreuzte ſich vor

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/247>, abgerufen am 24.11.2024.