mir so edel und großmüthig vor, daß ich, ganz aufgebläht davon, wähnte, die Mädchen müßten mir meine Großmuth auf der Stelle ansehen, als ich in die Stube trat. Ich erregte jedoch nicht die mindeste Aufmerksamkeit: wohl aber sah ich an einem der Fenster eine schlank aufgewachsene jungfräuliche Gestalt stehen, umgeben von meinen drei Basen. An ihren eigenthümlichen Zügen und der veränderten und doch gleich lieblich ge¬ bliebenen Stimme erkannte ich sogleich Anna: sie sah fein und nobel aus und ich blieb ganz rathlos und verblüfft stehen. Fein und bescheiden schaute sie in die Landschaft hinaus und die Basen sprachen gedämpft, zierlich und vertraulich mit ihr, wie es die Weiber zu thun pflegen, wenn sie einen Besuch haben, der ihrer Gesellschaft zum Schmucke gereicht. Es ging so freundlich an¬ dächtig zu, als ob die vier hübschen Kinder ge¬ raden Weges aus einer Klosterschule kämen, und besonders die Töchter des Hauses schienen nicht die leiseste Erinnerung an den Ton des gestrigen Abends zu hegen. Unbefangen grüßten sie mich, als ich endlich bemerkt wurde und stellten mich
mir ſo edel und großmuͤthig vor, daß ich, ganz aufgeblaͤht davon, waͤhnte, die Maͤdchen muͤßten mir meine Großmuth auf der Stelle anſehen, als ich in die Stube trat. Ich erregte jedoch nicht die mindeſte Aufmerkſamkeit: wohl aber ſah ich an einem der Fenſter eine ſchlank aufgewachſene jungfraͤuliche Geſtalt ſtehen, umgeben von meinen drei Baſen. An ihren eigenthuͤmlichen Zuͤgen und der veraͤnderten und doch gleich lieblich ge¬ bliebenen Stimme erkannte ich ſogleich Anna: ſie ſah fein und nobel aus und ich blieb ganz rathlos und verbluͤfft ſtehen. Fein und beſcheiden ſchaute ſie in die Landſchaft hinaus und die Baſen ſprachen gedaͤmpft, zierlich und vertraulich mit ihr, wie es die Weiber zu thun pflegen, wenn ſie einen Beſuch haben, der ihrer Geſellſchaft zum Schmucke gereicht. Es ging ſo freundlich an¬ daͤchtig zu, als ob die vier huͤbſchen Kinder ge¬ raden Weges aus einer Kloſterſchule kaͤmen, und beſonders die Toͤchter des Hauſes ſchienen nicht die leiſeſte Erinnerung an den Ton des geſtrigen Abends zu hegen. Unbefangen gruͤßten ſie mich, als ich endlich bemerkt wurde und ſtellten mich
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mir ſo edel und großmuͤthig vor, daß ich, ganz
aufgeblaͤht davon, waͤhnte, die Maͤdchen muͤßten
mir meine Großmuth auf der Stelle anſehen, als
ich in die Stube trat. Ich erregte jedoch nicht
die mindeſte Aufmerkſamkeit: wohl aber ſah ich
an einem der Fenſter eine ſchlank aufgewachſene
jungfraͤuliche Geſtalt ſtehen, umgeben von meinen
drei Baſen. An ihren eigenthuͤmlichen Zuͤgen
und der veraͤnderten und doch gleich lieblich ge¬
bliebenen Stimme erkannte ich ſogleich Anna:
ſie ſah fein und nobel aus und ich blieb ganz
rathlos und verbluͤfft ſtehen. Fein und beſcheiden
ſchaute ſie in die Landſchaft hinaus und die Baſen
ſprachen gedaͤmpft, zierlich und vertraulich mit
ihr, wie es die Weiber zu thun pflegen, wenn
ſie einen Beſuch haben, der ihrer Geſellſchaft zum
Schmucke gereicht. Es ging ſo freundlich an¬
daͤchtig zu, als ob die vier huͤbſchen Kinder ge¬
raden Weges aus einer Kloſterſchule kaͤmen, und
beſonders die Toͤchter des Hauſes ſchienen nicht
die leiſeſte Erinnerung an den Ton des geſtrigen
Abends zu hegen. Unbefangen gruͤßten ſie mich,
als ich endlich bemerkt wurde und ſtellten mich
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/238>, abgerufen am 24.11.2024.
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