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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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den, welchen Klang sie nun haben möge. Darauf
bedachte ich ihre Größe, und da ich selbst in der
Zeit rasch gewachsen, so konnte ich mich eines
kleinen Schauers nicht erwehren, wenn ich mir
die Gestalt sechszehnjähriger Mädchen unserer
Stadt vorstellte. Dazwischen schwebte mir immer
das halbkindliche Bild am See oder auf jenem
Grabe vor, mit seiner Halskrause, seinen Gold¬
zöpfen und freundlich unschuldigen Augen. Dies
Bild verscheuchte einigermaßen die Unsicherheit
und Zaghaftigkeit, welche sich meiner bemächtigen
wollten, daß ich getrost fürbaß schritt und am
Abend das Haus meines Oheims in alter Ord¬
nung und lauter Fröhlichkeit fand.

Doch nur die älteren Personen waren sich
eigentlich ganz gleich geblieben, das junge Volk
ließ einen etwas veränderten Ton in Scherz und
Reden merklich werden. Als nach dem Nachtessen
sich die Aeltern zurückgezogen und einige junge
ledige Dorfbewohner beiderlei Geschlechtes dafür
ankamen, um noch einige Stunden zu plaudern,
bemerkte ich, daß die Gegenstände der Liebe und
der geschlechtlichen Verhältnisse nun ausschließlicher

den, welchen Klang ſie nun haben moͤge. Darauf
bedachte ich ihre Groͤße, und da ich ſelbſt in der
Zeit raſch gewachſen, ſo konnte ich mich eines
kleinen Schauers nicht erwehren, wenn ich mir
die Geſtalt ſechszehnjaͤhriger Maͤdchen unſerer
Stadt vorſtellte. Dazwiſchen ſchwebte mir immer
das halbkindliche Bild am See oder auf jenem
Grabe vor, mit ſeiner Halskrauſe, ſeinen Gold¬
zoͤpfen und freundlich unſchuldigen Augen. Dies
Bild verſcheuchte einigermaßen die Unſicherheit
und Zaghaftigkeit, welche ſich meiner bemaͤchtigen
wollten, daß ich getroſt fuͤrbaß ſchritt und am
Abend das Haus meines Oheims in alter Ord¬
nung und lauter Froͤhlichkeit fand.

Doch nur die aͤlteren Perſonen waren ſich
eigentlich ganz gleich geblieben, das junge Volk
ließ einen etwas veraͤnderten Ton in Scherz und
Reden merklich werden. Als nach dem Nachteſſen
ſich die Aeltern zuruͤckgezogen und einige junge
ledige Dorfbewohner beiderlei Geſchlechtes dafuͤr
ankamen, um noch einige Stunden zu plaudern,
bemerkte ich, daß die Gegenſtaͤnde der Liebe und
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[219/0229] den, welchen Klang ſie nun haben moͤge. Darauf bedachte ich ihre Groͤße, und da ich ſelbſt in der Zeit raſch gewachſen, ſo konnte ich mich eines kleinen Schauers nicht erwehren, wenn ich mir die Geſtalt ſechszehnjaͤhriger Maͤdchen unſerer Stadt vorſtellte. Dazwiſchen ſchwebte mir immer das halbkindliche Bild am See oder auf jenem Grabe vor, mit ſeiner Halskrauſe, ſeinen Gold¬ zoͤpfen und freundlich unſchuldigen Augen. Dies Bild verſcheuchte einigermaßen die Unſicherheit und Zaghaftigkeit, welche ſich meiner bemaͤchtigen wollten, daß ich getroſt fuͤrbaß ſchritt und am Abend das Haus meines Oheims in alter Ord¬ nung und lauter Froͤhlichkeit fand. Doch nur die aͤlteren Perſonen waren ſich eigentlich ganz gleich geblieben, das junge Volk ließ einen etwas veraͤnderten Ton in Scherz und Reden merklich werden. Als nach dem Nachteſſen ſich die Aeltern zuruͤckgezogen und einige junge ledige Dorfbewohner beiderlei Geſchlechtes dafuͤr ankamen, um noch einige Stunden zu plaudern, bemerkte ich, daß die Gegenſtaͤnde der Liebe und der geſchlechtlichen Verhaͤltniſſe nun ausſchließlicher

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/229>, abgerufen am 24.11.2024.