Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Auflehnung, noch gereizter und beleidigter ant¬
wortete. Es stieg ein mächtiges Zorngewitter
zwischen uns auf, wir schalten uns rücksichtslos
und je mehr wir uns zugethan gewesen, mit
desto mehr Aufwand und tragischen, feindlichen
Worten kündeten wir uns plötzlich die Freund¬
schaft auf und bestrebten uns blindlings, Jeder
der Erste zu sein, der den Andern aus seinem
Gedächtniß verbanne!

Aber nicht nur seine, sondern auch meine
eigenen harten Worte schnitten mir in's Herz, ich
trauerte mehrere Tage lang tief und schmerzvoll,
indessen ich den Geschiedenen zu gleicher Zeit noch
achtete, liebte und haßte; ich empfand nun zum
zweiten Male, in vorgerückterem Alter, das Weh
beim Brechen einer engen Freundschaft, aber um so
edler und feiner und daher schmerzvoller, als die
Verhältnisse edler waren. Die innere Grund¬
losigkeit eines solchen Bruches läßt denselben um
so dämonischer und einschneidender fühlen, da er
durch ein feindliches unvermeidliches Schicksal
herbeigeführt scheint.

In diese Bewegungen herein spielten abwech¬

Auflehnung, noch gereizter und beleidigter ant¬
wortete. Es ſtieg ein maͤchtiges Zorngewitter
zwiſchen uns auf, wir ſchalten uns ruͤckſichtslos
und je mehr wir uns zugethan geweſen, mit
deſto mehr Aufwand und tragiſchen, feindlichen
Worten kuͤndeten wir uns ploͤtzlich die Freund¬
ſchaft auf und beſtrebten uns blindlings, Jeder
der Erſte zu ſein, der den Andern aus ſeinem
Gedaͤchtniß verbanne!

Aber nicht nur ſeine, ſondern auch meine
eigenen harten Worte ſchnitten mir in's Herz, ich
trauerte mehrere Tage lang tief und ſchmerzvoll,
indeſſen ich den Geſchiedenen zu gleicher Zeit noch
achtete, liebte und haßte; ich empfand nun zum
zweiten Male, in vorgeruͤckterem Alter, das Weh
beim Brechen einer engen Freundſchaft, aber um ſo
edler und feiner und daher ſchmerzvoller, als die
Verhaͤltniſſe edler waren. Die innere Grund¬
loſigkeit eines ſolchen Bruches laͤßt denſelben um
ſo daͤmoniſcher und einſchneidender fuͤhlen, da er
durch ein feindliches unvermeidliches Schickſal
herbeigefuͤhrt ſcheint.

In dieſe Bewegungen herein ſpielten abwech¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0223" n="213"/>
Auflehnung, noch gereizter und beleidigter ant¬<lb/>
wortete. Es &#x017F;tieg ein ma&#x0364;chtiges Zorngewitter<lb/>
zwi&#x017F;chen uns auf, wir &#x017F;chalten uns ru&#x0364;ck&#x017F;ichtslos<lb/>
und je mehr wir uns zugethan gewe&#x017F;en, mit<lb/>
de&#x017F;to mehr Aufwand und tragi&#x017F;chen, feindlichen<lb/>
Worten ku&#x0364;ndeten wir uns plo&#x0364;tzlich die Freund¬<lb/>
&#x017F;chaft auf und be&#x017F;trebten uns blindlings, Jeder<lb/>
der Er&#x017F;te zu &#x017F;ein, der den Andern aus &#x017F;einem<lb/>
Geda&#x0364;chtniß verbanne!</p><lb/>
        <p>Aber nicht nur &#x017F;eine, &#x017F;ondern auch meine<lb/>
eigenen harten Worte &#x017F;chnitten mir in's Herz, ich<lb/>
trauerte mehrere Tage lang tief und &#x017F;chmerzvoll,<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en ich den Ge&#x017F;chiedenen zu gleicher Zeit noch<lb/>
achtete, liebte und haßte; ich empfand nun zum<lb/>
zweiten Male, in vorgeru&#x0364;ckterem Alter, das Weh<lb/>
beim Brechen einer engen Freund&#x017F;chaft, aber um &#x017F;o<lb/>
edler und feiner und daher &#x017F;chmerzvoller, als die<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e edler waren. Die innere Grund¬<lb/>
lo&#x017F;igkeit eines &#x017F;olchen Bruches la&#x0364;ßt den&#x017F;elben um<lb/>
&#x017F;o da&#x0364;moni&#x017F;cher und ein&#x017F;chneidender fu&#x0364;hlen, da er<lb/>
durch ein feindliches unvermeidliches Schick&#x017F;al<lb/>
herbeigefu&#x0364;hrt &#x017F;cheint.</p><lb/>
        <p>In die&#x017F;e Bewegungen herein &#x017F;pielten abwech¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0223] Auflehnung, noch gereizter und beleidigter ant¬ wortete. Es ſtieg ein maͤchtiges Zorngewitter zwiſchen uns auf, wir ſchalten uns ruͤckſichtslos und je mehr wir uns zugethan geweſen, mit deſto mehr Aufwand und tragiſchen, feindlichen Worten kuͤndeten wir uns ploͤtzlich die Freund¬ ſchaft auf und beſtrebten uns blindlings, Jeder der Erſte zu ſein, der den Andern aus ſeinem Gedaͤchtniß verbanne! Aber nicht nur ſeine, ſondern auch meine eigenen harten Worte ſchnitten mir in's Herz, ich trauerte mehrere Tage lang tief und ſchmerzvoll, indeſſen ich den Geſchiedenen zu gleicher Zeit noch achtete, liebte und haßte; ich empfand nun zum zweiten Male, in vorgeruͤckterem Alter, das Weh beim Brechen einer engen Freundſchaft, aber um ſo edler und feiner und daher ſchmerzvoller, als die Verhaͤltniſſe edler waren. Die innere Grund¬ loſigkeit eines ſolchen Bruches laͤßt denſelben um ſo daͤmoniſcher und einſchneidender fuͤhlen, da er durch ein feindliches unvermeidliches Schickſal herbeigefuͤhrt ſcheint. In dieſe Bewegungen herein ſpielten abwech¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/223
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/223>, abgerufen am 27.11.2024.