über die Einsamkeit in die Hände, von welchem ich schon viel gehört, und das ich deshalb nun mit doppelter Begierde las, bis ich auf die Stelle traf, welche anfängt: "auf deiner Studirstube möchte ich dich festhalten, o Jüngling!" Jedes Wort ward mir bekannter und endlich fand ich einen der ersten Briefe meines Freundes hier wortgetreu abgeschrieben. Bald darauf entdeckte ich einen anderen Brief in Diderot's unmaßgeb¬ lichen Gedanken über die Zeichnung, welche ich bei einem Antiquar erworben, und fand so die Quelle jener Schärfe und Klarheit, die mir so imponirt hatten. Und wie lange getrennte Er¬ eignisse und Zufälle plötzlich haufenweise zu Tage treten und sich ein verabredetes Rendez-vous zu geben scheinen, so trat nun rasch eine Entdeckung nach der anderen hervor und enthüllten eine selt¬ same Mystification. Auch spürte ich den Büchern nach, von denen er in seinen Briefen beiläufig erwähnte. Ich fand Stellen aus Rousseau, wie aus dem Werther, aus Sterne und Hippel so¬ wohl, wie aus Lessing, glänzende Gedichte aus Byron und Heine in briefliche Prosa umgewan¬
uͤber die Einſamkeit in die Haͤnde, von welchem ich ſchon viel gehoͤrt, und das ich deshalb nun mit doppelter Begierde las, bis ich auf die Stelle traf, welche anfaͤngt: »auf deiner Studirſtube moͤchte ich dich feſthalten, o Juͤngling!« Jedes Wort ward mir bekannter und endlich fand ich einen der erſten Briefe meines Freundes hier wortgetreu abgeſchrieben. Bald darauf entdeckte ich einen anderen Brief in Diderot's unmaßgeb¬ lichen Gedanken uͤber die Zeichnung, welche ich bei einem Antiquar erworben, und fand ſo die Quelle jener Schaͤrfe und Klarheit, die mir ſo imponirt hatten. Und wie lange getrennte Er¬ eigniſſe und Zufaͤlle ploͤtzlich haufenweiſe zu Tage treten und ſich ein verabredetes Rendez-vous zu geben ſcheinen, ſo trat nun raſch eine Entdeckung nach der anderen hervor und enthuͤllten eine ſelt¬ ſame Myſtification. Auch ſpuͤrte ich den Buͤchern nach, von denen er in ſeinen Briefen beilaͤufig erwaͤhnte. Ich fand Stellen aus Rouſſeau, wie aus dem Werther, aus Sterne und Hippel ſo¬ wohl, wie aus Leſſing, glaͤnzende Gedichte aus Byron und Heine in briefliche Proſa umgewan¬
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uͤber die Einſamkeit in die Haͤnde, von welchem
ich ſchon viel gehoͤrt, und das ich deshalb nun
mit doppelter Begierde las, bis ich auf die Stelle
traf, welche anfaͤngt: »auf deiner Studirſtube
moͤchte ich dich feſthalten, o Juͤngling!« Jedes
Wort ward mir bekannter und endlich fand ich
einen der erſten Briefe meines Freundes hier
wortgetreu abgeſchrieben. Bald darauf entdeckte
ich einen anderen Brief in Diderot's unmaßgeb¬
lichen Gedanken uͤber die Zeichnung, welche ich
bei einem Antiquar erworben, und fand ſo die
Quelle jener Schaͤrfe und Klarheit, die mir ſo
imponirt hatten. Und wie lange getrennte Er¬
eigniſſe und Zufaͤlle ploͤtzlich haufenweiſe zu Tage
treten und ſich ein verabredetes Rendez-vous zu
geben ſcheinen, ſo trat nun raſch eine Entdeckung
nach der anderen hervor und enthuͤllten eine ſelt¬
ſame Myſtification. Auch ſpuͤrte ich den Buͤchern
nach, von denen er in ſeinen Briefen beilaͤufig
erwaͤhnte. Ich fand Stellen aus Rouſſeau, wie
aus dem Werther, aus Sterne und Hippel ſo¬
wohl, wie aus Leſſing, glaͤnzende Gedichte aus
Byron und Heine in briefliche Proſa umgewan¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/221>, abgerufen am 27.11.2024.
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