gediegenen Gedanken, als an feinerem und ge¬ wähltem Witze, der mir beschämend das Schreiende und Unruhige meiner Ergüsse hervorhob. Ich bewunderte meinen Freund, war stolz auf ihn und nahm mich doppelt zusammen, indem ich mich an seinen Briefen bildete, derselben wür¬ dige und ebenbürtige Sendungen aufzubringen. Doch je mehr ich mich erhob, um so höher und unerreichbarer wich er zurück, wie ein glänzendes Luftbild, nach welchem ich fruchtlos zu schlagen strebte, ich rang gleichsam mit einem neckischen Heldenschatten. Dazu trugen seine Gedanken die abwechselndsten Farben gleich dem ewigen Meere, ebenso reizend launenhaft und überraschend und ebenso reich an Quellen, die aus der Tiefe, von Gebirgen herab und vom Himmel zugleich zu strömen schienen; ich staunte den fernen Ge¬ nossen an wie eine geheimnißvolle großartige Er¬ scheinung, deren herrliche Entwickelung von Tag zu Tage Größeres versprach, und rüstete mich allen Ernstes, an ihrer Seite in's Leben hinaus möglichst Schritt zu halten.
Da fiel mir eines Tages Zimmermann's Buch
gediegenen Gedanken, als an feinerem und ge¬ waͤhltem Witze, der mir beſchaͤmend das Schreiende und Unruhige meiner Erguͤſſe hervorhob. Ich bewunderte meinen Freund, war ſtolz auf ihn und nahm mich doppelt zuſammen, indem ich mich an ſeinen Briefen bildete, derſelben wuͤr¬ dige und ebenbuͤrtige Sendungen aufzubringen. Doch je mehr ich mich erhob, um ſo hoͤher und unerreichbarer wich er zuruͤck, wie ein glaͤnzendes Luftbild, nach welchem ich fruchtlos zu ſchlagen ſtrebte, ich rang gleichſam mit einem neckiſchen Heldenſchatten. Dazu trugen ſeine Gedanken die abwechſelndſten Farben gleich dem ewigen Meere, ebenſo reizend launenhaft und uͤberraſchend und ebenſo reich an Quellen, die aus der Tiefe, von Gebirgen herab und vom Himmel zugleich zu ſtroͤmen ſchienen; ich ſtaunte den fernen Ge¬ noſſen an wie eine geheimnißvolle großartige Er¬ ſcheinung, deren herrliche Entwickelung von Tag zu Tage Groͤßeres verſprach, und ruͤſtete mich allen Ernſtes, an ihrer Seite in's Leben hinaus moͤglichſt Schritt zu halten.
Da fiel mir eines Tages Zimmermann's Buch
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[210/0220]
gediegenen Gedanken, als an feinerem und ge¬
waͤhltem Witze, der mir beſchaͤmend das Schreiende
und Unruhige meiner Erguͤſſe hervorhob. Ich
bewunderte meinen Freund, war ſtolz auf ihn
und nahm mich doppelt zuſammen, indem ich
mich an ſeinen Briefen bildete, derſelben wuͤr¬
dige und ebenbuͤrtige Sendungen aufzubringen.
Doch je mehr ich mich erhob, um ſo hoͤher und
unerreichbarer wich er zuruͤck, wie ein glaͤnzendes
Luftbild, nach welchem ich fruchtlos zu ſchlagen
ſtrebte, ich rang gleichſam mit einem neckiſchen
Heldenſchatten. Dazu trugen ſeine Gedanken
die abwechſelndſten Farben gleich dem ewigen
Meere, ebenſo reizend launenhaft und uͤberraſchend
und ebenſo reich an Quellen, die aus der Tiefe,
von Gebirgen herab und vom Himmel zugleich
zu ſtroͤmen ſchienen; ich ſtaunte den fernen Ge¬
noſſen an wie eine geheimnißvolle großartige Er¬
ſcheinung, deren herrliche Entwickelung von Tag
zu Tage Groͤßeres verſprach, und ruͤſtete mich
allen Ernſtes, an ihrer Seite in's Leben hinaus
moͤglichſt Schritt zu halten.
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/220>, abgerufen am 24.11.2024.
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