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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Und ungeachtet meines äußerlich stillen Lebens
trat doch manche frühe Trübung hinzu, welche
mich sorgenvoll oder leidenschaftlich bewegte. Mein
Trieb, mich zu unterrichten und zu unterhalten,
und meine Sammlungslust führten mich überall
hin, wo alte Bücher, Kupferstiche und sonstige
Dinge zu kaufen waren; denn die Bücher meines
Vaters, deren Hauptzierde Schiller war, hatte
ich längst, so weit sie mir verständlich, durchge¬
lesen und zu eigen gemacht und selbst das Un¬
verständliche übersetzte ich in eine eigens erfun¬
dene fabelhafte Wissenschaft, mit Worten spielend;
Kupferstiche aber, wenn ich sie sah, reizten mich
zum Besitz und bildeten überdies fast die einzige
äußere Hülfsquelle für mich, so daß ihre Er¬
werbung mir Pflicht schien. Unsere Stadt zeugte
in einer Menge alter guter Sammlungen von
Büchern und Kupferstichen, welche für wenig
Geld fast unerschöpflich in Winkeln und Maga¬
zinen zu finden waren, daß in den guten Häu¬
sern, aus welchen sie herrührten, in der vergan¬
genen Zeit große Bildung gepflegt worden sei.
Je mehr ich in Büchern und Bildwerken mich

Und ungeachtet meines aͤußerlich ſtillen Lebens
trat doch manche fruͤhe Truͤbung hinzu, welche
mich ſorgenvoll oder leidenſchaftlich bewegte. Mein
Trieb, mich zu unterrichten und zu unterhalten,
und meine Sammlungsluſt fuͤhrten mich uͤberall
hin, wo alte Buͤcher, Kupferſtiche und ſonſtige
Dinge zu kaufen waren; denn die Buͤcher meines
Vaters, deren Hauptzierde Schiller war, hatte
ich laͤngſt, ſo weit ſie mir verſtaͤndlich, durchge¬
leſen und zu eigen gemacht und ſelbſt das Un¬
verſtaͤndliche uͤberſetzte ich in eine eigens erfun¬
dene fabelhafte Wiſſenſchaft, mit Worten ſpielend;
Kupferſtiche aber, wenn ich ſie ſah, reizten mich
zum Beſitz und bildeten uͤberdies faſt die einzige
aͤußere Huͤlfsquelle fuͤr mich, ſo daß ihre Er¬
werbung mir Pflicht ſchien. Unſere Stadt zeugte
in einer Menge alter guter Sammlungen von
Buͤchern und Kupferſtichen, welche fuͤr wenig
Geld faſt unerſchoͤpflich in Winkeln und Maga¬
zinen zu finden waren, daß in den guten Haͤu¬
ſern, aus welchen ſie herruͤhrten, in der vergan¬
genen Zeit große Bildung gepflegt worden ſei.
Je mehr ich in Buͤchern und Bildwerken mich

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[205/0215] Und ungeachtet meines aͤußerlich ſtillen Lebens trat doch manche fruͤhe Truͤbung hinzu, welche mich ſorgenvoll oder leidenſchaftlich bewegte. Mein Trieb, mich zu unterrichten und zu unterhalten, und meine Sammlungsluſt fuͤhrten mich uͤberall hin, wo alte Buͤcher, Kupferſtiche und ſonſtige Dinge zu kaufen waren; denn die Buͤcher meines Vaters, deren Hauptzierde Schiller war, hatte ich laͤngſt, ſo weit ſie mir verſtaͤndlich, durchge¬ leſen und zu eigen gemacht und ſelbſt das Un¬ verſtaͤndliche uͤberſetzte ich in eine eigens erfun¬ dene fabelhafte Wiſſenſchaft, mit Worten ſpielend; Kupferſtiche aber, wenn ich ſie ſah, reizten mich zum Beſitz und bildeten uͤberdies faſt die einzige aͤußere Huͤlfsquelle fuͤr mich, ſo daß ihre Er¬ werbung mir Pflicht ſchien. Unſere Stadt zeugte in einer Menge alter guter Sammlungen von Buͤchern und Kupferſtichen, welche fuͤr wenig Geld faſt unerſchoͤpflich in Winkeln und Maga¬ zinen zu finden waren, daß in den guten Haͤu¬ ſern, aus welchen ſie herruͤhrten, in der vergan¬ genen Zeit große Bildung gepflegt worden ſei. Je mehr ich in Buͤchern und Bildwerken mich

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/215>, abgerufen am 24.11.2024.