Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

zu. Die runden Fensterscheiben wurden klar ge¬
waschen, vor dieselben auf ein breites Blumen¬
brett, mit der Mutter Beihülfe ein kleiner Gar¬
ten gepflanzt und inwendig die Pfosten sowie die
nächste Wand mit Epheu bezogen, zu welchem
im Sommer noch blühende Schlingpflanzen ka¬
men, so daß das helle große Fenster von einem
grünen Urwald umgeben war. Die geweißten
Wände behing ich theils mit Kupferstichen und
solchen Zeichnungen, welche irgend einen aben¬
teuerlichen Knalleffect enthielten, theils zeichnete
ich mit Kohle seltsame Larven oder schrieb Lieb¬
lingssprüche und gewaltsame Verse, die mir im¬
ponirt hatten, darauf. Ich stellte die ältesten
und ehrwürdigsten unserer Geräthe hinein, schleppte
herzu, was nur irgend einem Buche gleichsah,
und stellte es auf die gebräunten Möbeln, die
verschiedensten Gegenstände häuften sich nach und
nach an und vermehrten den malerischen Ein¬
druck; in der Mitte aber ward eine mächtige
Staffelei aufgepflanzt, das Ziel meiner langen
Wünsche, und auf große Blendrahmen gespanntes
Papier darauf gestellt; denn ich sehnte mich nach

zu. Die runden Fenſterſcheiben wurden klar ge¬
waſchen, vor dieſelben auf ein breites Blumen¬
brett, mit der Mutter Beihuͤlfe ein kleiner Gar¬
ten gepflanzt und inwendig die Pfoſten ſowie die
naͤchſte Wand mit Epheu bezogen, zu welchem
im Sommer noch bluͤhende Schlingpflanzen ka¬
men, ſo daß das helle große Fenſter von einem
gruͤnen Urwald umgeben war. Die geweißten
Waͤnde behing ich theils mit Kupferſtichen und
ſolchen Zeichnungen, welche irgend einen aben¬
teuerlichen Knalleffect enthielten, theils zeichnete
ich mit Kohle ſeltſame Larven oder ſchrieb Lieb¬
lingsſpruͤche und gewaltſame Verſe, die mir im¬
ponirt hatten, darauf. Ich ſtellte die aͤlteſten
und ehrwuͤrdigſten unſerer Geraͤthe hinein, ſchleppte
herzu, was nur irgend einem Buche gleichſah,
und ſtellte es auf die gebraͤunten Moͤbeln, die
verſchiedenſten Gegenſtaͤnde haͤuften ſich nach und
nach an und vermehrten den maleriſchen Ein¬
druck; in der Mitte aber ward eine maͤchtige
Staffelei aufgepflanzt, das Ziel meiner langen
Wuͤnſche, und auf große Blendrahmen geſpanntes
Papier darauf geſtellt; denn ich ſehnte mich nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0210" n="200"/>
zu. Die runden Fen&#x017F;ter&#x017F;cheiben wurden klar ge¬<lb/>
wa&#x017F;chen, vor die&#x017F;elben auf ein breites Blumen¬<lb/>
brett, mit der Mutter Beihu&#x0364;lfe ein kleiner Gar¬<lb/>
ten gepflanzt und inwendig die Pfo&#x017F;ten &#x017F;owie die<lb/>
na&#x0364;ch&#x017F;te Wand mit Epheu bezogen, zu welchem<lb/>
im Sommer noch blu&#x0364;hende Schlingpflanzen ka¬<lb/>
men, &#x017F;o daß das helle große Fen&#x017F;ter von einem<lb/>
gru&#x0364;nen Urwald umgeben war. Die geweißten<lb/>
Wa&#x0364;nde behing ich theils mit Kupfer&#x017F;tichen und<lb/>
&#x017F;olchen Zeichnungen, welche irgend einen aben¬<lb/>
teuerlichen Knalleffect enthielten, theils zeichnete<lb/>
ich mit Kohle &#x017F;elt&#x017F;ame Larven oder &#x017F;chrieb Lieb¬<lb/>
lings&#x017F;pru&#x0364;che und gewalt&#x017F;ame Ver&#x017F;e, die mir im¬<lb/>
ponirt hatten, darauf. Ich &#x017F;tellte die a&#x0364;lte&#x017F;ten<lb/>
und ehrwu&#x0364;rdig&#x017F;ten un&#x017F;erer Gera&#x0364;the hinein, &#x017F;chleppte<lb/>
herzu, was nur irgend einem Buche gleich&#x017F;ah,<lb/>
und &#x017F;tellte es auf die gebra&#x0364;unten Mo&#x0364;beln, die<lb/>
ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde ha&#x0364;uften &#x017F;ich nach und<lb/>
nach an und vermehrten den maleri&#x017F;chen Ein¬<lb/>
druck; in der Mitte aber ward eine ma&#x0364;chtige<lb/>
Staffelei aufgepflanzt, das Ziel meiner langen<lb/>
Wu&#x0364;n&#x017F;che, und auf große Blendrahmen ge&#x017F;panntes<lb/>
Papier darauf ge&#x017F;tellt; denn ich &#x017F;ehnte mich nach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0210] zu. Die runden Fenſterſcheiben wurden klar ge¬ waſchen, vor dieſelben auf ein breites Blumen¬ brett, mit der Mutter Beihuͤlfe ein kleiner Gar¬ ten gepflanzt und inwendig die Pfoſten ſowie die naͤchſte Wand mit Epheu bezogen, zu welchem im Sommer noch bluͤhende Schlingpflanzen ka¬ men, ſo daß das helle große Fenſter von einem gruͤnen Urwald umgeben war. Die geweißten Waͤnde behing ich theils mit Kupferſtichen und ſolchen Zeichnungen, welche irgend einen aben¬ teuerlichen Knalleffect enthielten, theils zeichnete ich mit Kohle ſeltſame Larven oder ſchrieb Lieb¬ lingsſpruͤche und gewaltſame Verſe, die mir im¬ ponirt hatten, darauf. Ich ſtellte die aͤlteſten und ehrwuͤrdigſten unſerer Geraͤthe hinein, ſchleppte herzu, was nur irgend einem Buche gleichſah, und ſtellte es auf die gebraͤunten Moͤbeln, die verſchiedenſten Gegenſtaͤnde haͤuften ſich nach und nach an und vermehrten den maleriſchen Ein¬ druck; in der Mitte aber ward eine maͤchtige Staffelei aufgepflanzt, das Ziel meiner langen Wuͤnſche, und auf große Blendrahmen geſpanntes Papier darauf geſtellt; denn ich ſehnte mich nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/210
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/210>, abgerufen am 27.11.2024.