Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.Fünftes Kapitel. Als der Frühling kam, welchen ich voll Un¬ Fünftes Kapitel. Als der Fruͤhling kam, welchen ich voll Un¬ <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0188" n="[178]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b #g">Fünftes Kapitel.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Als der Fruͤhling kam, welchen ich voll Un¬<lb/> geduld erwartet hatte, begab ich mich in den<lb/> erſten warmen Tagen in's Freie, ausgeruͤſtet mit<lb/> der erworbenen Fertigkeit, um an die Stelle der<lb/> papiernen Vorbilder die Natur ſelbſt zu ſetzen.<lb/> Das ſaͤmmtliche Refektorium ſah voll Achtung<lb/> und mit geheimem Neide auf meine umſtaͤndlichen<lb/> Zuruͤſtungen; denn es war das erſte Mal, daß<lb/> eines ſeiner Mitglieder die Sache ſo großartig<lb/> betrieb, und das Zeichnen »nach der Natur« war<lb/> bisher ein wunderbarer Mythus geweſen. Ich<lb/> ſelbſt ging nicht mehr mit der unverſchaͤmten,<lb/> aber gut meinenden Zutraulichkeit des letzten<lb/> Sommers vor die runden, koͤrperlichen und ſonne¬<lb/> beleuchteten Gegenſtaͤnde der Natur, ſondern mit<lb/> einer weit gefaͤhrlicheren und ſelbſtgefaͤlligen Bor¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[178]/0188]
Fünftes Kapitel.
Als der Fruͤhling kam, welchen ich voll Un¬
geduld erwartet hatte, begab ich mich in den
erſten warmen Tagen in's Freie, ausgeruͤſtet mit
der erworbenen Fertigkeit, um an die Stelle der
papiernen Vorbilder die Natur ſelbſt zu ſetzen.
Das ſaͤmmtliche Refektorium ſah voll Achtung
und mit geheimem Neide auf meine umſtaͤndlichen
Zuruͤſtungen; denn es war das erſte Mal, daß
eines ſeiner Mitglieder die Sache ſo großartig
betrieb, und das Zeichnen »nach der Natur« war
bisher ein wunderbarer Mythus geweſen. Ich
ſelbſt ging nicht mehr mit der unverſchaͤmten,
aber gut meinenden Zutraulichkeit des letzten
Sommers vor die runden, koͤrperlichen und ſonne¬
beleuchteten Gegenſtaͤnde der Natur, ſondern mit
einer weit gefaͤhrlicheren und ſelbſtgefaͤlligen Bor¬
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