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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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heit tauchen ließ; vor Allem aber die Natur¬
schilderung an der Hand der entfesselten Phan¬
tasie, welche berauscht über die blühende Erde
schweifte und mit den Sternen spielte, wie ein
Kind mit Blumen, je toller, desto besser! Diese
Herrlichkeit machte mich stutzen, dies schien mir
das Wahre und Rechte! Und inmitten der
Abendröthen und Regenbogen, der Lilienwälder
und Sternensaaten, der rauschenden und plät¬
schernden Gewitter, die der aufgehenden Sonne
das Kinderantlitz wuschen, daß es einen Augen¬
blick sich weinend verzog und verdunkelte, um
dann um so reiner und vergnügter zu strahlen,
inmitten all' des Feuerwerkes der Höhe und Tiefe,
in diesen saumlosen schillernden Weltmantel ge¬
hüllt der Unendliche, groß, aber voll Liebe, heilig,
aber ein Gott des Lächelns und des Scherzes,
furchtbar von Gewalt, doch sich schmiegend und
bergend in eine Kinderbrust, hervorguckend aus
einem Kindesauge, wie das Osterhäschen aus
Blumen! Das war ein anderer Herr und Gön¬
ner, als der silbenstecherische Patron im Kate¬
chismus!

heit tauchen ließ; vor Allem aber die Natur¬
ſchilderung an der Hand der entfeſſelten Phan¬
taſie, welche berauſcht uͤber die bluͤhende Erde
ſchweifte und mit den Sternen ſpielte, wie ein
Kind mit Blumen, je toller, deſto beſſer! Dieſe
Herrlichkeit machte mich ſtutzen, dies ſchien mir
das Wahre und Rechte! Und inmitten der
Abendroͤthen und Regenbogen, der Lilienwaͤlder
und Sternenſaaten, der rauſchenden und plaͤt¬
ſchernden Gewitter, die der aufgehenden Sonne
das Kinderantlitz wuſchen, daß es einen Augen¬
blick ſich weinend verzog und verdunkelte, um
dann um ſo reiner und vergnuͤgter zu ſtrahlen,
inmitten all' des Feuerwerkes der Hoͤhe und Tiefe,
in dieſen ſaumloſen ſchillernden Weltmantel ge¬
huͤllt der Unendliche, groß, aber voll Liebe, heilig,
aber ein Gott des Laͤchelns und des Scherzes,
furchtbar von Gewalt, doch ſich ſchmiegend und
bergend in eine Kinderbruſt, hervorguckend aus
einem Kindesauge, wie das Oſterhaͤſchen aus
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[175/0185] heit tauchen ließ; vor Allem aber die Natur¬ ſchilderung an der Hand der entfeſſelten Phan¬ taſie, welche berauſcht uͤber die bluͤhende Erde ſchweifte und mit den Sternen ſpielte, wie ein Kind mit Blumen, je toller, deſto beſſer! Dieſe Herrlichkeit machte mich ſtutzen, dies ſchien mir das Wahre und Rechte! Und inmitten der Abendroͤthen und Regenbogen, der Lilienwaͤlder und Sternenſaaten, der rauſchenden und plaͤt¬ ſchernden Gewitter, die der aufgehenden Sonne das Kinderantlitz wuſchen, daß es einen Augen¬ blick ſich weinend verzog und verdunkelte, um dann um ſo reiner und vergnuͤgter zu ſtrahlen, inmitten all' des Feuerwerkes der Hoͤhe und Tiefe, in dieſen ſaumloſen ſchillernden Weltmantel ge¬ huͤllt der Unendliche, groß, aber voll Liebe, heilig, aber ein Gott des Laͤchelns und des Scherzes, furchtbar von Gewalt, doch ſich ſchmiegend und bergend in eine Kinderbruſt, hervorguckend aus einem Kindesauge, wie das Oſterhaͤſchen aus Blumen! Das war ein anderer Herr und Goͤn¬ ner, als der ſilbenſtecheriſche Patron im Kate¬ chismus!

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/185>, abgerufen am 25.11.2024.