Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

zwischen einem transparenten scharfen und einem
rußigen stumpfen Vortrage nicht recht begriff und
mehr auf Form und Charakter sah; doch endlich,
durch das fortwährende Pinseln, gerieth ich hin¬
ter das Geheimniß, und nun fertigte ich in einem
fixen Jargon eine Menge brillanter Tuschzeich¬
nungen an, ein Blatt um's andere. Schon sah
ich nur auf die Zahl des Gemachten und hatte
meine Freude an der anschwellenden Mappe, kaum
daß bei meiner Wahl die wirkungsvollsten und
auffallendsten Gegenstände mir noch eine weitere
Theilnahme abgewannen. So war, noch ehe der
erste Winter ganz zu Ende, schon meines Lehrers
ganzer Vorrath an Vorlagen von mir durch¬
gemacht, und zwar auf eine Weise, wie er
es selbst ungefähr konnte; denn nachdem ich ein¬
mal die Handgriffe und Mittel einer sorgfältigen
und reinlichen Behandlung gemerkt, erstieg ich
bald den Grad geläufiger Pinselei, welchen der
Meister selbst inne hatte, um so schneller, als ich
in dem wahren Wesen und Verständniß um so
mehr und gänzlich zurückblieb. Habersaat war
desnahen schon nach dem ersten halben Jahre in

zwiſchen einem transparenten ſcharfen und einem
rußigen ſtumpfen Vortrage nicht recht begriff und
mehr auf Form und Charakter ſah; doch endlich,
durch das fortwaͤhrende Pinſeln, gerieth ich hin¬
ter das Geheimniß, und nun fertigte ich in einem
fixen Jargon eine Menge brillanter Tuſchzeich¬
nungen an, ein Blatt um's andere. Schon ſah
ich nur auf die Zahl des Gemachten und hatte
meine Freude an der anſchwellenden Mappe, kaum
daß bei meiner Wahl die wirkungsvollſten und
auffallendſten Gegenſtaͤnde mir noch eine weitere
Theilnahme abgewannen. So war, noch ehe der
erſte Winter ganz zu Ende, ſchon meines Lehrers
ganzer Vorrath an Vorlagen von mir durch¬
gemacht, und zwar auf eine Weiſe, wie er
es ſelbſt ungefaͤhr konnte; denn nachdem ich ein¬
mal die Handgriffe und Mittel einer ſorgfaͤltigen
und reinlichen Behandlung gemerkt, erſtieg ich
bald den Grad gelaͤufiger Pinſelei, welchen der
Meiſter ſelbſt inne hatte, um ſo ſchneller, als ich
in dem wahren Weſen und Verſtaͤndniß um ſo
mehr und gaͤnzlich zuruͤckblieb. Haberſaat war
desnahen ſchon nach dem erſten halben Jahre in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0178" n="168"/>
zwi&#x017F;chen einem transparenten &#x017F;charfen und einem<lb/>
rußigen &#x017F;tumpfen Vortrage nicht recht begriff und<lb/>
mehr auf Form und Charakter &#x017F;ah; doch endlich,<lb/>
durch das fortwa&#x0364;hrende Pin&#x017F;eln, gerieth ich hin¬<lb/>
ter das Geheimniß, und nun fertigte ich in einem<lb/>
fixen Jargon eine Menge brillanter Tu&#x017F;chzeich¬<lb/>
nungen an, ein Blatt um's andere. Schon &#x017F;ah<lb/>
ich nur auf die Zahl des Gemachten und hatte<lb/>
meine Freude an der an&#x017F;chwellenden Mappe, kaum<lb/>
daß bei meiner Wahl die wirkungsvoll&#x017F;ten und<lb/>
auffallend&#x017F;ten Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde mir noch eine weitere<lb/>
Theilnahme abgewannen. So war, noch ehe der<lb/>
er&#x017F;te Winter ganz zu Ende, &#x017F;chon meines Lehrers<lb/>
ganzer Vorrath an Vorlagen von mir durch¬<lb/>
gemacht, und zwar auf eine Wei&#x017F;e, wie er<lb/>
es &#x017F;elb&#x017F;t ungefa&#x0364;hr konnte; denn nachdem ich ein¬<lb/>
mal die Handgriffe und Mittel einer &#x017F;orgfa&#x0364;ltigen<lb/>
und reinlichen Behandlung gemerkt, er&#x017F;tieg ich<lb/>
bald den Grad gela&#x0364;ufiger Pin&#x017F;elei, welchen der<lb/>
Mei&#x017F;ter &#x017F;elb&#x017F;t inne hatte, um &#x017F;o &#x017F;chneller, als ich<lb/>
in dem wahren We&#x017F;en und Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß um &#x017F;o<lb/>
mehr und ga&#x0364;nzlich zuru&#x0364;ckblieb. Haber&#x017F;aat war<lb/>
desnahen &#x017F;chon nach dem er&#x017F;ten halben Jahre in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0178] zwiſchen einem transparenten ſcharfen und einem rußigen ſtumpfen Vortrage nicht recht begriff und mehr auf Form und Charakter ſah; doch endlich, durch das fortwaͤhrende Pinſeln, gerieth ich hin¬ ter das Geheimniß, und nun fertigte ich in einem fixen Jargon eine Menge brillanter Tuſchzeich¬ nungen an, ein Blatt um's andere. Schon ſah ich nur auf die Zahl des Gemachten und hatte meine Freude an der anſchwellenden Mappe, kaum daß bei meiner Wahl die wirkungsvollſten und auffallendſten Gegenſtaͤnde mir noch eine weitere Theilnahme abgewannen. So war, noch ehe der erſte Winter ganz zu Ende, ſchon meines Lehrers ganzer Vorrath an Vorlagen von mir durch¬ gemacht, und zwar auf eine Weiſe, wie er es ſelbſt ungefaͤhr konnte; denn nachdem ich ein¬ mal die Handgriffe und Mittel einer ſorgfaͤltigen und reinlichen Behandlung gemerkt, erſtieg ich bald den Grad gelaͤufiger Pinſelei, welchen der Meiſter ſelbſt inne hatte, um ſo ſchneller, als ich in dem wahren Weſen und Verſtaͤndniß um ſo mehr und gaͤnzlich zuruͤckblieb. Haberſaat war desnahen ſchon nach dem erſten halben Jahre in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/178
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/178>, abgerufen am 26.11.2024.