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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Käufer, je mehr schlau entwendetes Kinderleben
darin aufgegangen ist. Es saßen im Refektorium
zehnjährige Aeffchen in Höschen und Jäckchen,
die ihnen zu kurz waren, und ließen ihre Finger
ruhlos tanzen, in strengster Reinlichkeit die leich¬
teren Anlagen bereitend; die Unglücklichen waren
in dies Paradies gerathen, weil sie zu Hause
allzu emsig die Titelblätter und Vignetten ihrer
Testamente illuminirt und so ihre Eltern irre und
die Aufmerksamkeit des Herrn Habersaat auf sich
geleitet hatten. Er machte auch ganz ordentliche
Geschäfte, und galt daher für einen Mann, bei
dem sich was lernen ließe, wenn man nur wolle.

Von irgend einer Seite her war meiner Mut¬
ter angerathen worden, sich mit ihm zu bespre¬
chen und sein Geschäft einmal anzusehen, da es
wenigstens für den Anfang eine Zuflucht zu wei¬
terem Vorschreiten böte, zumal man mit ihm
übereinkäme, daß er mich nicht zu seinem Nutzen
verwende, sondern gegen genügende Entschädigung
nach seinem besten Wissen unterrichte. Er zeigte
sich gern bereit und erfreut, einen jungen Men¬
schen einmal als eigentlichen Künstler heranzu¬

Kaͤufer, je mehr ſchlau entwendetes Kinderleben
darin aufgegangen iſt. Es ſaßen im Refektorium
zehnjaͤhrige Aeffchen in Hoͤschen und Jaͤckchen,
die ihnen zu kurz waren, und ließen ihre Finger
ruhlos tanzen, in ſtrengſter Reinlichkeit die leich¬
teren Anlagen bereitend; die Ungluͤcklichen waren
in dies Paradies gerathen, weil ſie zu Hauſe
allzu emſig die Titelblaͤtter und Vignetten ihrer
Teſtamente illuminirt und ſo ihre Eltern irre und
die Aufmerkſamkeit des Herrn Haberſaat auf ſich
geleitet hatten. Er machte auch ganz ordentliche
Geſchaͤfte, und galt daher fuͤr einen Mann, bei
dem ſich was lernen ließe, wenn man nur wolle.

Von irgend einer Seite her war meiner Mut¬
ter angerathen worden, ſich mit ihm zu beſpre¬
chen und ſein Geſchaͤft einmal anzuſehen, da es
wenigſtens fuͤr den Anfang eine Zuflucht zu wei¬
terem Vorſchreiten boͤte, zumal man mit ihm
uͤbereinkaͤme, daß er mich nicht zu ſeinem Nutzen
verwende, ſondern gegen genuͤgende Entſchaͤdigung
nach ſeinem beſten Wiſſen unterrichte. Er zeigte
ſich gern bereit und erfreut, einen jungen Men¬
ſchen einmal als eigentlichen Kuͤnſtler heranzu¬

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[160/0170] Kaͤufer, je mehr ſchlau entwendetes Kinderleben darin aufgegangen iſt. Es ſaßen im Refektorium zehnjaͤhrige Aeffchen in Hoͤschen und Jaͤckchen, die ihnen zu kurz waren, und ließen ihre Finger ruhlos tanzen, in ſtrengſter Reinlichkeit die leich¬ teren Anlagen bereitend; die Ungluͤcklichen waren in dies Paradies gerathen, weil ſie zu Hauſe allzu emſig die Titelblaͤtter und Vignetten ihrer Teſtamente illuminirt und ſo ihre Eltern irre und die Aufmerkſamkeit des Herrn Haberſaat auf ſich geleitet hatten. Er machte auch ganz ordentliche Geſchaͤfte, und galt daher fuͤr einen Mann, bei dem ſich was lernen ließe, wenn man nur wolle. Von irgend einer Seite her war meiner Mut¬ ter angerathen worden, ſich mit ihm zu beſpre¬ chen und ſein Geſchaͤft einmal anzuſehen, da es wenigſtens fuͤr den Anfang eine Zuflucht zu wei¬ terem Vorſchreiten boͤte, zumal man mit ihm uͤbereinkaͤme, daß er mich nicht zu ſeinem Nutzen verwende, ſondern gegen genuͤgende Entſchaͤdigung nach ſeinem beſten Wiſſen unterrichte. Er zeigte ſich gern bereit und erfreut, einen jungen Men¬ ſchen einmal als eigentlichen Kuͤnſtler heranzu¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/170>, abgerufen am 25.11.2024.