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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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und nach den überlieferten Gebräuchen verrichteten.
Nebenbei durften sie, wenn sie wollten, an Feier¬
tagen ein verkommenes oder zweckloses Blatt
nachzeichnen zur weiteren Ausbildung, und sie
wählten meistens solche Gegenstände, welche Nichts
zu lernen darboten, aber für den Augenblick am
meisten Effekt machten, und die ihnen der Mei¬
ster korrigirte, wenn er nicht allzu beschäftigt
war. Er sah es aber nicht einmal gern, wenn
sie diesen Privatfleiß zu weit trieben; denn er
hatte schon einige Mal erfahren, daß Solche,
welche Geschmack daran fanden und eine künst¬
lerische Ader in sich entdeckten, beim Koloriren
seiner Prospekte unreinlich und verwirrt geworden.
Sie mußten streng und anhaltend arbeiten und
steckten um so mehr voll Possen und Schwänke,
die sich in jedem freien Augenblicke Luft machten,
und erst gegen das vierte Jahr hin, wenn die
schönste Zeit zur Erlernung von etwas Besserem
verflossen war, wurden sie gebeugt und gedrückt,
von den Eltern mit Vorwürfen geplagt, daß sie
immer noch von ihrem Brode äßen, und dachten
ernstlich darauf, während sie noch pinselten, bei

und nach den uͤberlieferten Gebraͤuchen verrichteten.
Nebenbei durften ſie, wenn ſie wollten, an Feier¬
tagen ein verkommenes oder zweckloſes Blatt
nachzeichnen zur weiteren Ausbildung, und ſie
waͤhlten meiſtens ſolche Gegenſtaͤnde, welche Nichts
zu lernen darboten, aber fuͤr den Augenblick am
meiſten Effekt machten, und die ihnen der Mei¬
ſter korrigirte, wenn er nicht allzu beſchaͤftigt
war. Er ſah es aber nicht einmal gern, wenn
ſie dieſen Privatfleiß zu weit trieben; denn er
hatte ſchon einige Mal erfahren, daß Solche,
welche Geſchmack daran fanden und eine kuͤnſt¬
leriſche Ader in ſich entdeckten, beim Koloriren
ſeiner Proſpekte unreinlich und verwirrt geworden.
Sie mußten ſtreng und anhaltend arbeiten und
ſteckten um ſo mehr voll Poſſen und Schwaͤnke,
die ſich in jedem freien Augenblicke Luft machten,
und erſt gegen das vierte Jahr hin, wenn die
ſchoͤnſte Zeit zur Erlernung von etwas Beſſerem
verfloſſen war, wurden ſie gebeugt und gedruͤckt,
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[158/0168] und nach den uͤberlieferten Gebraͤuchen verrichteten. Nebenbei durften ſie, wenn ſie wollten, an Feier¬ tagen ein verkommenes oder zweckloſes Blatt nachzeichnen zur weiteren Ausbildung, und ſie waͤhlten meiſtens ſolche Gegenſtaͤnde, welche Nichts zu lernen darboten, aber fuͤr den Augenblick am meiſten Effekt machten, und die ihnen der Mei¬ ſter korrigirte, wenn er nicht allzu beſchaͤftigt war. Er ſah es aber nicht einmal gern, wenn ſie dieſen Privatfleiß zu weit trieben; denn er hatte ſchon einige Mal erfahren, daß Solche, welche Geſchmack daran fanden und eine kuͤnſt¬ leriſche Ader in ſich entdeckten, beim Koloriren ſeiner Proſpekte unreinlich und verwirrt geworden. Sie mußten ſtreng und anhaltend arbeiten und ſteckten um ſo mehr voll Poſſen und Schwaͤnke, die ſich in jedem freien Augenblicke Luft machten, und erſt gegen das vierte Jahr hin, wenn die ſchoͤnſte Zeit zur Erlernung von etwas Beſſerem verfloſſen war, wurden ſie gebeugt und gedruͤckt, von den Eltern mit Vorwuͤrfen geplagt, daß ſie immer noch von ihrem Brode aͤßen, und dachten ernſtlich darauf, waͤhrend ſie noch pinſelten, bei

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/168>, abgerufen am 25.11.2024.