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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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gekommen wäre und ihm gesagt hätte: Könnt
ihr mir ein Bild malen, so schön es zu haben
ist, das unter Kennern zehntausend Thaler werth
ist? Ich möchte ein Solches! so würde er die
Bestellung unbedenklich angenommen und sich,
nachdem die Hälfte des Preises zum Voraus be¬
zahlt, unverweilt an die Arbeit gemacht haben.
Bei diesem Treiben unterstützte ihn ein tapferes
Häuflein Gerechter, und der Schauplatz ihrer
Thaten war das ehemalige Refektorium der from¬
men Klosterfrauen. Dessen beide Langseiten wa¬
ren jede mit einem halben Dutzend hoher Fenster
versehen mit runden Scheibchen, welche wohl
Licht ein-, aber bei ihrer wellenförmigen Ober¬
fläche keinen Blick hinausließen, was auf den
Fleiß der hier waltenden Kunstschule wohlthätigen
Einfluß übte. Jedes dieser Fenster war mit
einem Kunstbeflissenen besetzt, welcher, dem Hin¬
termanne den Rücken zukehrend, dem Vorder¬
manne in's Genick sah. Das Haupttreffen dieser
Armee bildeten vier bis sechs junge Leute, theils
Knaben, welche die Schweizerlandschaften blühend
kolorirten; dann kam ein kränklicher, hustender

gekommen waͤre und ihm geſagt haͤtte: Koͤnnt
ihr mir ein Bild malen, ſo ſchoͤn es zu haben
iſt, das unter Kennern zehntauſend Thaler werth
iſt? Ich moͤchte ein Solches! ſo wuͤrde er die
Beſtellung unbedenklich angenommen und ſich,
nachdem die Haͤlfte des Preiſes zum Voraus be¬
zahlt, unverweilt an die Arbeit gemacht haben.
Bei dieſem Treiben unterſtuͤtzte ihn ein tapferes
Haͤuflein Gerechter, und der Schauplatz ihrer
Thaten war das ehemalige Refektorium der from¬
men Kloſterfrauen. Deſſen beide Langſeiten wa¬
ren jede mit einem halben Dutzend hoher Fenſter
verſehen mit runden Scheibchen, welche wohl
Licht ein-, aber bei ihrer wellenfoͤrmigen Ober¬
flaͤche keinen Blick hinausließen, was auf den
Fleiß der hier waltenden Kunſtſchule wohlthaͤtigen
Einfluß uͤbte. Jedes dieſer Fenſter war mit
einem Kunſtbefliſſenen beſetzt, welcher, dem Hin¬
termanne den Ruͤcken zukehrend, dem Vorder¬
manne in's Genick ſah. Das Haupttreffen dieſer
Armee bildeten vier bis ſechs junge Leute, theils
Knaben, welche die Schweizerlandſchaften bluͤhend
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[154/0164] gekommen waͤre und ihm geſagt haͤtte: Koͤnnt ihr mir ein Bild malen, ſo ſchoͤn es zu haben iſt, das unter Kennern zehntauſend Thaler werth iſt? Ich moͤchte ein Solches! ſo wuͤrde er die Beſtellung unbedenklich angenommen und ſich, nachdem die Haͤlfte des Preiſes zum Voraus be¬ zahlt, unverweilt an die Arbeit gemacht haben. Bei dieſem Treiben unterſtuͤtzte ihn ein tapferes Haͤuflein Gerechter, und der Schauplatz ihrer Thaten war das ehemalige Refektorium der from¬ men Kloſterfrauen. Deſſen beide Langſeiten wa¬ ren jede mit einem halben Dutzend hoher Fenſter verſehen mit runden Scheibchen, welche wohl Licht ein-, aber bei ihrer wellenfoͤrmigen Ober¬ flaͤche keinen Blick hinausließen, was auf den Fleiß der hier waltenden Kunſtſchule wohlthaͤtigen Einfluß uͤbte. Jedes dieſer Fenſter war mit einem Kunſtbefliſſenen beſetzt, welcher, dem Hin¬ termanne den Ruͤcken zukehrend, dem Vorder¬ manne in's Genick ſah. Das Haupttreffen dieſer Armee bildeten vier bis ſechs junge Leute, theils Knaben, welche die Schweizerlandſchaften bluͤhend kolorirten; dann kam ein kraͤnklicher, huſtender

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/164>, abgerufen am 24.11.2024.