gekommen, saß ich nachdenklich umher und be¬ klagte fortwährend mein Schicksal, daß ich auf das Malen verzichten müsse, daß es meiner Mut¬ ter durch's Herz ging und sie nochmals eine Rundschau anstellte mit dem Vorsatze, mir mei¬ nen Willen zu thun, möchte es gehen, wie es wolle.
So trieb sie endlich einen Mann auf die Beine, welcher in einem alten Frauenklösterlein vor der Stadt, wenig beachtet, einen wunderlichen Kunstspuk trieb. Er war ein Maler, Kupfer¬ stecher, Lithograph und Drucker in Einer Person, indem er, in einer verschollenen Manier, viel¬ besuchte Schweizerlandschaften zeichnete, dieselben in Kupfer kratzte, abdruckte und von einigen jungen Leuten mit Farben überziehen ließ. Diese Blätter versandte er in alle Welt und führte einen dankbaren Handel damit. Dazu machte er, was ihm unter die Finger kam, sonst noch, riskirte Portraits, fertigte Etiquetten und Visiten¬ karten, Taufscheine mit Taufstein und Pathen und Grabschriften mit Trauerweiden und weinen¬ den Genien; wenn dazwischen ein Unkundiger
gekommen, ſaß ich nachdenklich umher und be¬ klagte fortwaͤhrend mein Schickſal, daß ich auf das Malen verzichten muͤſſe, daß es meiner Mut¬ ter durch's Herz ging und ſie nochmals eine Rundſchau anſtellte mit dem Vorſatze, mir mei¬ nen Willen zu thun, moͤchte es gehen, wie es wolle.
So trieb ſie endlich einen Mann auf die Beine, welcher in einem alten Frauenkloͤſterlein vor der Stadt, wenig beachtet, einen wunderlichen Kunſtſpuk trieb. Er war ein Maler, Kupfer¬ ſtecher, Lithograph und Drucker in Einer Perſon, indem er, in einer verſchollenen Manier, viel¬ beſuchte Schweizerlandſchaften zeichnete, dieſelben in Kupfer kratzte, abdruckte und von einigen jungen Leuten mit Farben uͤberziehen ließ. Dieſe Blaͤtter verſandte er in alle Welt und fuͤhrte einen dankbaren Handel damit. Dazu machte er, was ihm unter die Finger kam, ſonſt noch, riskirte Portraits, fertigte Etiquetten und Viſiten¬ karten, Taufſcheine mit Taufſtein und Pathen und Grabſchriften mit Trauerweiden und weinen¬ den Genien; wenn dazwiſchen ein Unkundiger
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gekommen, ſaß ich nachdenklich umher und be¬
klagte fortwaͤhrend mein Schickſal, daß ich auf
das Malen verzichten muͤſſe, daß es meiner Mut¬
ter durch's Herz ging und ſie nochmals eine
Rundſchau anſtellte mit dem Vorſatze, mir mei¬
nen Willen zu thun, moͤchte es gehen, wie es
wolle.
So trieb ſie endlich einen Mann auf die
Beine, welcher in einem alten Frauenkloͤſterlein
vor der Stadt, wenig beachtet, einen wunderlichen
Kunſtſpuk trieb. Er war ein Maler, Kupfer¬
ſtecher, Lithograph und Drucker in Einer Perſon,
indem er, in einer verſchollenen Manier, viel¬
beſuchte Schweizerlandſchaften zeichnete, dieſelben
in Kupfer kratzte, abdruckte und von einigen
jungen Leuten mit Farben uͤberziehen ließ. Dieſe
Blaͤtter verſandte er in alle Welt und fuͤhrte
einen dankbaren Handel damit. Dazu machte
er, was ihm unter die Finger kam, ſonſt noch,
riskirte Portraits, fertigte Etiquetten und Viſiten¬
karten, Taufſcheine mit Taufſtein und Pathen
und Grabſchriften mit Trauerweiden und weinen¬
den Genien; wenn dazwiſchen ein Unkundiger
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/163>, abgerufen am 24.11.2024.
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