Runde gemacht und nun noch durch die kleineren Städte zirkulire, um auch hier der Kunst mehr Freunde zu gewinnen. Da ich sah, daß nur fein gekleidete Leute hineingingen, lief ich nach Hause, putzte mich ebenfalls möglichst heraus, als ob es in die Kirche ginge, und wagte mich alsbald in die geheimnißvollen Räume. Ich trat in einen hellen Saal, in welchem es von allen Wänden und von großen Gestellen in frischen Farben und Gold erglänzte. Der erste Eindruck war ganz traumhaft, große klare Landschaften tauchten von allen Seiten, ohne daß ich sie vorerst einzeln be¬ sah, auf und schwammen vor meinen Blicken mit zauberhaften Lüften und Baumwipfeln, Abendröthen brannten, Kinderköpfe, liebliche Stu¬ dien, guckten dazwischen hervor und Alles ent¬ schwand wieder vor neuen Gebilden, so daß ich mich ernstlich umsehen mußte, wo denn dieser herrliche Lindenhain oder jenes mächtige Gebirge hingekommen seien, die ich im Augenblicke noch zu sehen geglaubt? Dazu verbreiteten die frischen Firnisse der Bilder einen sonntäglichen Duft, der mir angenehmer dünkte, als der Weihrauch
Runde gemacht und nun noch durch die kleineren Staͤdte zirkulire, um auch hier der Kunſt mehr Freunde zu gewinnen. Da ich ſah, daß nur fein gekleidete Leute hineingingen, lief ich nach Hauſe, putzte mich ebenfalls moͤglichſt heraus, als ob es in die Kirche ginge, und wagte mich alsbald in die geheimnißvollen Raͤume. Ich trat in einen hellen Saal, in welchem es von allen Waͤnden und von großen Geſtellen in friſchen Farben und Gold erglaͤnzte. Der erſte Eindruck war ganz traumhaft, große klare Landſchaften tauchten von allen Seiten, ohne daß ich ſie vorerſt einzeln be¬ ſah, auf und ſchwammen vor meinen Blicken mit zauberhaften Luͤften und Baumwipfeln, Abendroͤthen brannten, Kinderkoͤpfe, liebliche Stu¬ dien, guckten dazwiſchen hervor und Alles ent¬ ſchwand wieder vor neuen Gebilden, ſo daß ich mich ernſtlich umſehen mußte, wo denn dieſer herrliche Lindenhain oder jenes maͤchtige Gebirge hingekommen ſeien, die ich im Augenblicke noch zu ſehen geglaubt? Dazu verbreiteten die friſchen Firniſſe der Bilder einen ſonntaͤglichen Duft, der mir angenehmer duͤnkte, als der Weihrauch
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Runde gemacht und nun noch durch die kleineren
Staͤdte zirkulire, um auch hier der Kunſt mehr
Freunde zu gewinnen. Da ich ſah, daß nur fein
gekleidete Leute hineingingen, lief ich nach Hauſe,
putzte mich ebenfalls moͤglichſt heraus, als ob es
in die Kirche ginge, und wagte mich alsbald in
die geheimnißvollen Raͤume. Ich trat in einen
hellen Saal, in welchem es von allen Waͤnden
und von großen Geſtellen in friſchen Farben und
Gold erglaͤnzte. Der erſte Eindruck war ganz
traumhaft, große klare Landſchaften tauchten von
allen Seiten, ohne daß ich ſie vorerſt einzeln be¬
ſah, auf und ſchwammen vor meinen Blicken
mit zauberhaften Luͤften und Baumwipfeln,
Abendroͤthen brannten, Kinderkoͤpfe, liebliche Stu¬
dien, guckten dazwiſchen hervor und Alles ent¬
ſchwand wieder vor neuen Gebilden, ſo daß ich
mich ernſtlich umſehen mußte, wo denn dieſer
herrliche Lindenhain oder jenes maͤchtige Gebirge
hingekommen ſeien, die ich im Augenblicke noch
zu ſehen geglaubt? Dazu verbreiteten die friſchen
Firniſſe der Bilder einen ſonntaͤglichen Duft,
der mir angenehmer duͤnkte, als der Weihrauch
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/161>, abgerufen am 24.11.2024.
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