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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Rückkehr kaum zurechtfinden. Im Angesichte der
großartigen und schönen Landschaft, welche die
Stadt umgiebt, schwebte mir nur die verlassene
Gegend wie ein Paradies vor und ich fühlte erst
jetzt jeden Reiz ihrer einfachen und anspruchlosen,
aber so ruhigen und lieblichen Bestandtheile. Wenn
ich auf der höchsten Höhe über unserer Stadt
in das Land hinaus sah, so war mir der kleine
versteckte Strich blauen Fernegebietes, wo das
Dorf und nicht weit davon des Schulmeisters
See zu vermuthen waren, die schönste Stelle des
Gesichtskreises, die Luft wehte reiner und glück¬
licher von dort her, der mir unsichtbare Aufent¬
halt Anna's in jener entlegenen bläulichen Däm¬
merung wirkte magnetisch über alles dazwischen
liegende Land her; ja wenn ich, in der Tiefe
gehend, jenen glücklichen Horizont nicht sah, so
suchte und fühlte ich doch die Himmelsgegend
und sah mit Heimweh und Sehnsucht das dort¬
hin gehende Stück Himmel von näheren Bergen
begränzt.

Indessen erneuerte sich die Frage über meine
Berufswahl und machte sich täglich dringender

Ruͤckkehr kaum zurechtfinden. Im Angeſichte der
großartigen und ſchoͤnen Landſchaft, welche die
Stadt umgiebt, ſchwebte mir nur die verlaſſene
Gegend wie ein Paradies vor und ich fuͤhlte erſt
jetzt jeden Reiz ihrer einfachen und anſpruchloſen,
aber ſo ruhigen und lieblichen Beſtandtheile. Wenn
ich auf der hoͤchſten Hoͤhe uͤber unſerer Stadt
in das Land hinaus ſah, ſo war mir der kleine
verſteckte Strich blauen Fernegebietes, wo das
Dorf und nicht weit davon des Schulmeiſters
See zu vermuthen waren, die ſchoͤnſte Stelle des
Geſichtskreiſes, die Luft wehte reiner und gluͤck¬
licher von dort her, der mir unſichtbare Aufent¬
halt Anna's in jener entlegenen blaͤulichen Daͤm¬
merung wirkte magnetiſch uͤber alles dazwiſchen
liegende Land her; ja wenn ich, in der Tiefe
gehend, jenen gluͤcklichen Horizont nicht ſah, ſo
ſuchte und fuͤhlte ich doch die Himmelsgegend
und ſah mit Heimweh und Sehnſucht das dort¬
hin gehende Stuͤck Himmel von naͤheren Bergen
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[149/0159] Ruͤckkehr kaum zurechtfinden. Im Angeſichte der großartigen und ſchoͤnen Landſchaft, welche die Stadt umgiebt, ſchwebte mir nur die verlaſſene Gegend wie ein Paradies vor und ich fuͤhlte erſt jetzt jeden Reiz ihrer einfachen und anſpruchloſen, aber ſo ruhigen und lieblichen Beſtandtheile. Wenn ich auf der hoͤchſten Hoͤhe uͤber unſerer Stadt in das Land hinaus ſah, ſo war mir der kleine verſteckte Strich blauen Fernegebietes, wo das Dorf und nicht weit davon des Schulmeiſters See zu vermuthen waren, die ſchoͤnſte Stelle des Geſichtskreiſes, die Luft wehte reiner und gluͤck¬ licher von dort her, der mir unſichtbare Aufent¬ halt Anna's in jener entlegenen blaͤulichen Daͤm¬ merung wirkte magnetiſch uͤber alles dazwiſchen liegende Land her; ja wenn ich, in der Tiefe gehend, jenen gluͤcklichen Horizont nicht ſah, ſo ſuchte und fuͤhlte ich doch die Himmelsgegend und ſah mit Heimweh und Sehnſucht das dort¬ hin gehende Stuͤck Himmel von naͤheren Bergen begraͤnzt. Indeſſen erneuerte ſich die Frage uͤber meine Berufswahl und machte ſich taͤglich dringender

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/159>, abgerufen am 24.11.2024.