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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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und heftiges Essen, wozu sie den Wein in tiefen
Zügen schluckten. Die Aelteren und Feineren
aber wurden lauter im Gespräche, rückten ihre
Stühle mehr zusammen und ließen die Unterhal¬
tung allmälig in eine gehaltene Fröhlichkeit über¬
gehen. Diese war wohl zu unterscheiden von
einer gewöhnlichen lustigen Stimmung und eine
symbolische Absicht, welche eine heitere Ergebung
in den Lauf der Dinge und das Recht des Le¬
bens gegen den Tod bedeuten sollte.

Ich fand nun endlich Raum, meinen Platz
zu verlassen und umherzugehen. Im nächsten
Zimmer fand ich an einer kleineren Tafel Anna
neben ihrem Vater sitzen, welcher im Kreise eini¬
ger Klugen und Frommen die weise und fröhliche
Ergebung in das Unvermeidliche mit ausgezeich¬
neter Kunst übte. Er machte einigen bejahrten
Frauen den Hof und wußte Jeder noch zu sagen,
was sie vor dreißig Jahren gern gehört; dafür
schmeichelten sie der kleinen Anna, lobten ihre
Manieren und priesen den Alten glücklich Zu
dieser Gruppe setzte ich mich und horchte neben
Anna auf die beschaulichen Reden der Alten.

und heftiges Eſſen, wozu ſie den Wein in tiefen
Zuͤgen ſchluckten. Die Aelteren und Feineren
aber wurden lauter im Geſpraͤche, ruͤckten ihre
Stuͤhle mehr zuſammen und ließen die Unterhal¬
tung allmaͤlig in eine gehaltene Froͤhlichkeit uͤber¬
gehen. Dieſe war wohl zu unterſcheiden von
einer gewoͤhnlichen luſtigen Stimmung und eine
ſymboliſche Abſicht, welche eine heitere Ergebung
in den Lauf der Dinge und das Recht des Le¬
bens gegen den Tod bedeuten ſollte.

Ich fand nun endlich Raum, meinen Platz
zu verlaſſen und umherzugehen. Im naͤchſten
Zimmer fand ich an einer kleineren Tafel Anna
neben ihrem Vater ſitzen, welcher im Kreiſe eini¬
ger Klugen und Frommen die weiſe und froͤhliche
Ergebung in das Unvermeidliche mit ausgezeich¬
neter Kunſt uͤbte. Er machte einigen bejahrten
Frauen den Hof und wußte Jeder noch zu ſagen,
was ſie vor dreißig Jahren gern gehoͤrt; dafuͤr
ſchmeichelten ſie der kleinen Anna, lobten ihre
Manieren und prieſen den Alten gluͤcklich Zu
dieſer Gruppe ſetzte ich mich und horchte neben
Anna auf die beſchaulichen Reden der Alten.

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[138/0148] und heftiges Eſſen, wozu ſie den Wein in tiefen Zuͤgen ſchluckten. Die Aelteren und Feineren aber wurden lauter im Geſpraͤche, ruͤckten ihre Stuͤhle mehr zuſammen und ließen die Unterhal¬ tung allmaͤlig in eine gehaltene Froͤhlichkeit uͤber¬ gehen. Dieſe war wohl zu unterſcheiden von einer gewoͤhnlichen luſtigen Stimmung und eine ſymboliſche Abſicht, welche eine heitere Ergebung in den Lauf der Dinge und das Recht des Le¬ bens gegen den Tod bedeuten ſollte. Ich fand nun endlich Raum, meinen Platz zu verlaſſen und umherzugehen. Im naͤchſten Zimmer fand ich an einer kleineren Tafel Anna neben ihrem Vater ſitzen, welcher im Kreiſe eini¬ ger Klugen und Frommen die weiſe und froͤhliche Ergebung in das Unvermeidliche mit ausgezeich¬ neter Kunſt uͤbte. Er machte einigen bejahrten Frauen den Hof und wußte Jeder noch zu ſagen, was ſie vor dreißig Jahren gern gehoͤrt; dafuͤr ſchmeichelten ſie der kleinen Anna, lobten ihre Manieren und prieſen den Alten gluͤcklich Zu dieſer Gruppe ſetzte ich mich und horchte neben Anna auf die beſchaulichen Reden der Alten.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/148>, abgerufen am 23.11.2024.