Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

trächtlichem Abstand vom Tische, und stachen die
Fleischbissen mit feierlich ausgestrecktem Arme an,
die Gabel am äußersten Ende haltend. So führ¬
ten sie ihre Beute auf dem weitesten Wege zum
Munde und tranken den Wein in kleinen, züch¬
tigen, aber häufigen Zügen. Die Aufwärterinnen
trugen die breiten Zinnschüsseln in erhobenen Hän¬
den in der Höhe ihres Gesichtes heran, mit ge¬
messenem Paradeschritt, die Hüften gewaltig hin
und her wiegend. Wo sie die Tracht auf den
Tisch setzten, mußten die beiden Zunächstsitzenden
einen Wettstreit beginnen, indem sie ihnen ihre
Gläser zum Trinken boten und Jeder wenigstens
zwei gute Witze auf den Nebenbuhler losließ;
dieser kleine Kampf wurde dann dadurch ge¬
schlichtet, daß die Aufwärterin aus jedem Glase
nippte und mehr oder weniger zufrieden mit der
Ausführung dieser Etiquette sich zurückzog.

Nach Verfluß zweier langen Stunden wurden
die Gerichte feiner und leckerer, die Roheren unter
den Gästen näherten sich immer mehr dem Tische,
legten die Arme darauf, und begannen nun erst,
auf dem möglichst kürzesten Wege, ein ungeheures

traͤchtlichem Abſtand vom Tiſche, und ſtachen die
Fleiſchbiſſen mit feierlich ausgeſtrecktem Arme an,
die Gabel am aͤußerſten Ende haltend. So fuͤhr¬
ten ſie ihre Beute auf dem weiteſten Wege zum
Munde und tranken den Wein in kleinen, zuͤch¬
tigen, aber haͤufigen Zuͤgen. Die Aufwaͤrterinnen
trugen die breiten Zinnſchuͤſſeln in erhobenen Haͤn¬
den in der Hoͤhe ihres Geſichtes heran, mit ge¬
meſſenem Paradeſchritt, die Huͤften gewaltig hin
und her wiegend. Wo ſie die Tracht auf den
Tiſch ſetzten, mußten die beiden Zunaͤchſtſitzenden
einen Wettſtreit beginnen, indem ſie ihnen ihre
Glaͤſer zum Trinken boten und Jeder wenigſtens
zwei gute Witze auf den Nebenbuhler losließ;
dieſer kleine Kampf wurde dann dadurch ge¬
ſchlichtet, daß die Aufwaͤrterin aus jedem Glaſe
nippte und mehr oder weniger zufrieden mit der
Ausfuͤhrung dieſer Etiquette ſich zuruͤckzog.

Nach Verfluß zweier langen Stunden wurden
die Gerichte feiner und leckerer, die Roheren unter
den Gaͤſten naͤherten ſich immer mehr dem Tiſche,
legten die Arme darauf, und begannen nun erſt,
auf dem moͤglichſt kuͤrzeſten Wege, ein ungeheures

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0147" n="137"/>
tra&#x0364;chtlichem Ab&#x017F;tand vom Ti&#x017F;che, und &#x017F;tachen die<lb/>
Flei&#x017F;chbi&#x017F;&#x017F;en mit feierlich ausge&#x017F;trecktem Arme an,<lb/>
die Gabel am a&#x0364;ußer&#x017F;ten Ende haltend. So fu&#x0364;hr¬<lb/>
ten &#x017F;ie ihre Beute auf dem weite&#x017F;ten Wege zum<lb/>
Munde und tranken den Wein in kleinen, zu&#x0364;ch¬<lb/>
tigen, aber ha&#x0364;ufigen Zu&#x0364;gen. Die Aufwa&#x0364;rterinnen<lb/>
trugen die breiten Zinn&#x017F;chu&#x0364;&#x017F;&#x017F;eln in erhobenen Ha&#x0364;<lb/>
den in der Ho&#x0364;he ihres Ge&#x017F;ichtes heran, mit ge¬<lb/>
me&#x017F;&#x017F;enem Parade&#x017F;chritt, die Hu&#x0364;ften gewaltig hin<lb/>
und her wiegend. Wo &#x017F;ie die Tracht auf den<lb/>
Ti&#x017F;ch &#x017F;etzten, mußten die beiden Zuna&#x0364;ch&#x017F;t&#x017F;itzenden<lb/>
einen Wett&#x017F;treit beginnen, indem &#x017F;ie ihnen ihre<lb/>
Gla&#x0364;&#x017F;er zum Trinken boten und Jeder wenig&#x017F;tens<lb/>
zwei gute Witze auf den Nebenbuhler losließ;<lb/>
die&#x017F;er kleine Kampf wurde dann dadurch ge¬<lb/>
&#x017F;chlichtet, daß die Aufwa&#x0364;rterin aus jedem Gla&#x017F;e<lb/>
nippte und mehr oder weniger zufrieden mit der<lb/>
Ausfu&#x0364;hrung die&#x017F;er Etiquette &#x017F;ich zuru&#x0364;ckzog.</p><lb/>
        <p>Nach Verfluß zweier langen Stunden wurden<lb/>
die Gerichte feiner und leckerer, die Roheren unter<lb/>
den Ga&#x0364;&#x017F;ten na&#x0364;herten &#x017F;ich immer mehr dem Ti&#x017F;che,<lb/>
legten die Arme darauf, und begannen nun er&#x017F;t,<lb/>
auf dem mo&#x0364;glich&#x017F;t ku&#x0364;rze&#x017F;ten Wege, ein ungeheures<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0147] traͤchtlichem Abſtand vom Tiſche, und ſtachen die Fleiſchbiſſen mit feierlich ausgeſtrecktem Arme an, die Gabel am aͤußerſten Ende haltend. So fuͤhr¬ ten ſie ihre Beute auf dem weiteſten Wege zum Munde und tranken den Wein in kleinen, zuͤch¬ tigen, aber haͤufigen Zuͤgen. Die Aufwaͤrterinnen trugen die breiten Zinnſchuͤſſeln in erhobenen Haͤn¬ den in der Hoͤhe ihres Geſichtes heran, mit ge¬ meſſenem Paradeſchritt, die Huͤften gewaltig hin und her wiegend. Wo ſie die Tracht auf den Tiſch ſetzten, mußten die beiden Zunaͤchſtſitzenden einen Wettſtreit beginnen, indem ſie ihnen ihre Glaͤſer zum Trinken boten und Jeder wenigſtens zwei gute Witze auf den Nebenbuhler losließ; dieſer kleine Kampf wurde dann dadurch ge¬ ſchlichtet, daß die Aufwaͤrterin aus jedem Glaſe nippte und mehr oder weniger zufrieden mit der Ausfuͤhrung dieſer Etiquette ſich zuruͤckzog. Nach Verfluß zweier langen Stunden wurden die Gerichte feiner und leckerer, die Roheren unter den Gaͤſten naͤherten ſich immer mehr dem Tiſche, legten die Arme darauf, und begannen nun erſt, auf dem moͤglichſt kuͤrzeſten Wege, ein ungeheures

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/147
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/147>, abgerufen am 27.11.2024.