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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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brechen wollte; aber der Schulmeister verhinderte
mich daran und gab Befehl, mir ein Lager zu be¬
reiten, da ich mich auf dem dunklen Berge unfehl¬
bar verirren würde. Obgleich ich einwandte, daß
ich den nächtlichen Weg ja schon einmal zurück¬
gelegt hätte, ließ ich mich doch leicht bereden,
aus bloßer Freundschaft da zu bleiben, worauf
wir in den kleinen Saal mit der Orgel gingen.
Der Schulmeister spielte und Anna und ich san¬
gen dazu einige Abendlieder, und der Magd zu
Gefallen, welche gern mitsang, einen Psalm, den
sie mit heller Stimme beherrschte. Dann ging
der Alte zu Bette. Doch jetzt begann erst die
Herrschaft der alten Katherine, welche unten in
der Stube einen ungeheuren Vorrath von Boh¬
nen aufgethürmt hatte, welche heute Nacht noch
sämmtlich bearbeitet werden sollten. Denn da
sie Nachts nicht viel schlafen konnte, beharrte sie
hartnäckig auf der ländlichen Sitte, dergleichen
Dinge bis tief in die Nacht hinein vorzunehmen.
So saßen wir bis um Ein Uhr um den grünen
Bohnenberg herum und trugen ihn allmälig ab,
indem Jedes einen tiefen Schacht vor sich hinein¬

brechen wollte; aber der Schulmeiſter verhinderte
mich daran und gab Befehl, mir ein Lager zu be¬
reiten, da ich mich auf dem dunklen Berge unfehl¬
bar verirren wuͤrde. Obgleich ich einwandte, daß
ich den naͤchtlichen Weg ja ſchon einmal zuruͤck¬
gelegt haͤtte, ließ ich mich doch leicht bereden,
aus bloßer Freundſchaft da zu bleiben, worauf
wir in den kleinen Saal mit der Orgel gingen.
Der Schulmeiſter ſpielte und Anna und ich ſan¬
gen dazu einige Abendlieder, und der Magd zu
Gefallen, welche gern mitſang, einen Pſalm, den
ſie mit heller Stimme beherrſchte. Dann ging
der Alte zu Bette. Doch jetzt begann erſt die
Herrſchaft der alten Katherine, welche unten in
der Stube einen ungeheuren Vorrath von Boh¬
nen aufgethuͤrmt hatte, welche heute Nacht noch
ſaͤmmtlich bearbeitet werden ſollten. Denn da
ſie Nachts nicht viel ſchlafen konnte, beharrte ſie
hartnaͤckig auf der laͤndlichen Sitte, dergleichen
Dinge bis tief in die Nacht hinein vorzunehmen.
So ſaßen wir bis um Ein Uhr um den gruͤnen
Bohnenberg herum und trugen ihn allmaͤlig ab,
indem Jedes einen tiefen Schacht vor ſich hinein¬

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[115/0125] brechen wollte; aber der Schulmeiſter verhinderte mich daran und gab Befehl, mir ein Lager zu be¬ reiten, da ich mich auf dem dunklen Berge unfehl¬ bar verirren wuͤrde. Obgleich ich einwandte, daß ich den naͤchtlichen Weg ja ſchon einmal zuruͤck¬ gelegt haͤtte, ließ ich mich doch leicht bereden, aus bloßer Freundſchaft da zu bleiben, worauf wir in den kleinen Saal mit der Orgel gingen. Der Schulmeiſter ſpielte und Anna und ich ſan¬ gen dazu einige Abendlieder, und der Magd zu Gefallen, welche gern mitſang, einen Pſalm, den ſie mit heller Stimme beherrſchte. Dann ging der Alte zu Bette. Doch jetzt begann erſt die Herrſchaft der alten Katherine, welche unten in der Stube einen ungeheuren Vorrath von Boh¬ nen aufgethuͤrmt hatte, welche heute Nacht noch ſaͤmmtlich bearbeitet werden ſollten. Denn da ſie Nachts nicht viel ſchlafen konnte, beharrte ſie hartnaͤckig auf der laͤndlichen Sitte, dergleichen Dinge bis tief in die Nacht hinein vorzunehmen. So ſaßen wir bis um Ein Uhr um den gruͤnen Bohnenberg herum und trugen ihn allmaͤlig ab, indem Jedes einen tiefen Schacht vor ſich hinein¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/125>, abgerufen am 23.11.2024.