Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Wand unschuldiger Landbewohner Etwas vorstel¬
len konnte.

Darüber verfloß die Zeit schnell und leicht
und brachte den Abend, indessen ich mit Liebe
die Zeichnung nach meiner Einsicht vervollkomm¬
nete und überall ein Blatt oder einen Blumen¬
stiel ausbesserte und einen Schatten verstärkte,
dort einen vergessenen Staubfaden hinzufügte.
Die Neigung für das Mädchen lehrte mich dies
gewissenhafte Fertigmachen und Durchgehen der
Arbeit, welches ich bis dahin noch nicht gekannt,
und als ich gar nichts mehr anzubringen sah,
schrieb ich in eine Ecke des Blattes "Heinrich
Lee fecit.", was ich mir anderswo schon gemerkt
hatte, und unter den Strauß mit schöner Schrift
den Namen der künftigen Eigenthümerin.

Der Weinberg mußte inzwischen noch ein
großes Stück Arbeit gegeben haben, denn schon
schwebte die Sonne dicht über dem Waldrande
und warf ein feuerfarbenes Band über das dun¬
kelnde Gewässer her und noch hörte ich nichts von
meinen Gastfreunden. Ich setzte mich auf die
Stufen vor dem Hause, den Wein und das

II. 8

Wand unſchuldiger Landbewohner Etwas vorſtel¬
len konnte.

Daruͤber verfloß die Zeit ſchnell und leicht
und brachte den Abend, indeſſen ich mit Liebe
die Zeichnung nach meiner Einſicht vervollkomm¬
nete und uͤberall ein Blatt oder einen Blumen¬
ſtiel ausbeſſerte und einen Schatten verſtaͤrkte,
dort einen vergeſſenen Staubfaden hinzufuͤgte.
Die Neigung fuͤr das Maͤdchen lehrte mich dies
gewiſſenhafte Fertigmachen und Durchgehen der
Arbeit, welches ich bis dahin noch nicht gekannt,
und als ich gar nichts mehr anzubringen ſah,
ſchrieb ich in eine Ecke des Blattes »Heinrich
Lee fecit.«, was ich mir anderswo ſchon gemerkt
hatte, und unter den Strauß mit ſchoͤner Schrift
den Namen der kuͤnftigen Eigenthuͤmerin.

Der Weinberg mußte inzwiſchen noch ein
großes Stuͤck Arbeit gegeben haben, denn ſchon
ſchwebte die Sonne dicht uͤber dem Waldrande
und warf ein feuerfarbenes Band uͤber das dun¬
kelnde Gewaͤſſer her und noch hoͤrte ich nichts von
meinen Gaſtfreunden. Ich ſetzte mich auf die
Stufen vor dem Hauſe, den Wein und das

II. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="113"/>
Wand un&#x017F;chuldiger Landbewohner Etwas vor&#x017F;tel¬<lb/>
len konnte.</p><lb/>
        <p>Daru&#x0364;ber verfloß die Zeit &#x017F;chnell und leicht<lb/>
und brachte den Abend, inde&#x017F;&#x017F;en ich mit Liebe<lb/>
die Zeichnung nach meiner Ein&#x017F;icht vervollkomm¬<lb/>
nete und u&#x0364;berall ein Blatt oder einen Blumen¬<lb/>
&#x017F;tiel ausbe&#x017F;&#x017F;erte und einen Schatten ver&#x017F;ta&#x0364;rkte,<lb/>
dort einen verge&#x017F;&#x017F;enen Staubfaden hinzufu&#x0364;gte.<lb/>
Die Neigung fu&#x0364;r das Ma&#x0364;dchen lehrte mich dies<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;enhafte Fertigmachen und Durchgehen der<lb/>
Arbeit, welches ich bis dahin noch nicht gekannt,<lb/>
und als ich gar nichts mehr anzubringen &#x017F;ah,<lb/>
&#x017F;chrieb ich in eine Ecke des Blattes »Heinrich<lb/>
Lee <hi rendition="#aq">fecit</hi>.«, was ich mir anderswo &#x017F;chon gemerkt<lb/>
hatte, und unter den Strauß mit &#x017F;cho&#x0364;ner Schrift<lb/>
den Namen der ku&#x0364;nftigen Eigenthu&#x0364;merin.</p><lb/>
        <p>Der Weinberg mußte inzwi&#x017F;chen noch ein<lb/>
großes Stu&#x0364;ck Arbeit gegeben haben, denn &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;chwebte die Sonne dicht u&#x0364;ber dem Waldrande<lb/>
und warf ein feuerfarbenes Band u&#x0364;ber das dun¬<lb/>
kelnde Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er her und noch ho&#x0364;rte ich nichts von<lb/>
meinen Ga&#x017F;tfreunden. Ich &#x017F;etzte mich auf die<lb/>
Stufen vor dem Hau&#x017F;e, den Wein und das<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">II. 8<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0123] Wand unſchuldiger Landbewohner Etwas vorſtel¬ len konnte. Daruͤber verfloß die Zeit ſchnell und leicht und brachte den Abend, indeſſen ich mit Liebe die Zeichnung nach meiner Einſicht vervollkomm¬ nete und uͤberall ein Blatt oder einen Blumen¬ ſtiel ausbeſſerte und einen Schatten verſtaͤrkte, dort einen vergeſſenen Staubfaden hinzufuͤgte. Die Neigung fuͤr das Maͤdchen lehrte mich dies gewiſſenhafte Fertigmachen und Durchgehen der Arbeit, welches ich bis dahin noch nicht gekannt, und als ich gar nichts mehr anzubringen ſah, ſchrieb ich in eine Ecke des Blattes »Heinrich Lee fecit.«, was ich mir anderswo ſchon gemerkt hatte, und unter den Strauß mit ſchoͤner Schrift den Namen der kuͤnftigen Eigenthuͤmerin. Der Weinberg mußte inzwiſchen noch ein großes Stuͤck Arbeit gegeben haben, denn ſchon ſchwebte die Sonne dicht uͤber dem Waldrande und warf ein feuerfarbenes Band uͤber das dun¬ kelnde Gewaͤſſer her und noch hoͤrte ich nichts von meinen Gaſtfreunden. Ich ſetzte mich auf die Stufen vor dem Hauſe, den Wein und das II. 8

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/123
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/123>, abgerufen am 23.11.2024.