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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Anna hingegen brach sogleich willig und freund¬
lich auf und bezeigte weder Freude noch Verdruß
über die Aenderung ihres Planes. Die Alte, als
sie mich bleiben sah, sagte, ob ich nicht auch mit
komme, ich werde doch nicht allein hier sein wol¬
len und es sei recht schön im Weinberge. Allein
ich war nun schon zu tief betrübt und unwillig
und erklärte, ich müßte meine Zeichnung zu Ende
führen. Demgemäß wurde mir ein kleines Fläsch¬
chen Wein und Brod in der Stube zurechtgesetzt
für die Vesperzeit und der Hausschlüssel über¬
geben, den ich neben mich legte. Bald war ich
allein in der einsamen Gegend und der Nachmit¬
tagsstille, und fühlte mich nun doch wieder zu¬
frieden. Auch kam dies Alleinsein meinem Mach¬
werke zugut, indem ich mir mehr Mühe gab, die
natürlichen Blumen vor mir wirklich zu benutzen
und an ihnen zu lernen, während ich am Vor¬
mittage mehr nach meiner früheren Kindermanier
drauf losgepinselt hatte. Ich mischte die Farben
genauer und verfuhr reinlicher und aufmerk¬
samer mit den Formen und Schattirungen, und
dadurch entstand ein Bild, welches an der

Anna hingegen brach ſogleich willig und freund¬
lich auf und bezeigte weder Freude noch Verdruß
uͤber die Aenderung ihres Planes. Die Alte, als
ſie mich bleiben ſah, ſagte, ob ich nicht auch mit
komme, ich werde doch nicht allein hier ſein wol¬
len und es ſei recht ſchoͤn im Weinberge. Allein
ich war nun ſchon zu tief betruͤbt und unwillig
und erklaͤrte, ich muͤßte meine Zeichnung zu Ende
fuͤhren. Demgemaͤß wurde mir ein kleines Flaͤſch¬
chen Wein und Brod in der Stube zurechtgeſetzt
fuͤr die Veſperzeit und der Hausſchluͤſſel uͤber¬
geben, den ich neben mich legte. Bald war ich
allein in der einſamen Gegend und der Nachmit¬
tagsſtille, und fuͤhlte mich nun doch wieder zu¬
frieden. Auch kam dies Alleinſein meinem Mach¬
werke zugut, indem ich mir mehr Muͤhe gab, die
natuͤrlichen Blumen vor mir wirklich zu benutzen
und an ihnen zu lernen, waͤhrend ich am Vor¬
mittage mehr nach meiner fruͤheren Kindermanier
drauf losgepinſelt hatte. Ich miſchte die Farben
genauer und verfuhr reinlicher und aufmerk¬
ſamer mit den Formen und Schattirungen, und
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[112/0122] Anna hingegen brach ſogleich willig und freund¬ lich auf und bezeigte weder Freude noch Verdruß uͤber die Aenderung ihres Planes. Die Alte, als ſie mich bleiben ſah, ſagte, ob ich nicht auch mit komme, ich werde doch nicht allein hier ſein wol¬ len und es ſei recht ſchoͤn im Weinberge. Allein ich war nun ſchon zu tief betruͤbt und unwillig und erklaͤrte, ich muͤßte meine Zeichnung zu Ende fuͤhren. Demgemaͤß wurde mir ein kleines Flaͤſch¬ chen Wein und Brod in der Stube zurechtgeſetzt fuͤr die Veſperzeit und der Hausſchluͤſſel uͤber¬ geben, den ich neben mich legte. Bald war ich allein in der einſamen Gegend und der Nachmit¬ tagsſtille, und fuͤhlte mich nun doch wieder zu¬ frieden. Auch kam dies Alleinſein meinem Mach¬ werke zugut, indem ich mir mehr Muͤhe gab, die natuͤrlichen Blumen vor mir wirklich zu benutzen und an ihnen zu lernen, waͤhrend ich am Vor¬ mittage mehr nach meiner fruͤheren Kindermanier drauf losgepinſelt hatte. Ich miſchte die Farben genauer und verfuhr reinlicher und aufmerk¬ ſamer mit den Formen und Schattirungen, und dadurch entſtand ein Bild, welches an der

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/122>, abgerufen am 27.11.2024.