Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

und wohin es führen könne, wurde mir Gewohn¬
heit und Bedürfniß, daß ich bald täglich in das
Haus huschte, um eine halbe Stunde dort zuzu¬
bringen, eine Schale Milch zu trinken und der
lachenden Frau die Haare aufzulösen, selbst wenn
sie schon geflochten waren. Dies that ich aber
nur, wenn sie ganz allein und keine Störung zu
befürchten war, sowie sie auch nur dann es sich
gefallen ließ, und diese stillschweigende Ueberein¬
kunft der Heimlichkeit lieh dem ganzen Verkehre
einen süßen Reiz.

So war ich eines Abends, vom Berge kom¬
mend, bei ihr eingekehrt; sie saß hinter dem Hause
am Brunnen und hatte so eben einen Korb grü¬
nen Salat gereinigt, ich hielt ihre Hände unter
den klaren Wasserstrahl, wusch und rieb dieselben,
wie einem Kinde, ließ ihr kalte Wassertropfen
in den Nacken träufeln und spritzte ihr solche
endlich mit unbeholfenem Scherze in's Gesicht,
bis sie mich beim Kopfe kriegte und ihn auf
ihren Schooß preßte, wo sie ihn ziemlich derb
zerarbeitete und walkte, daß mir die Ohren
sausten. Obgleich ich diese Strafe halb und halb

II. 7

und wohin es fuͤhren koͤnne, wurde mir Gewohn¬
heit und Beduͤrfniß, daß ich bald taͤglich in das
Haus huſchte, um eine halbe Stunde dort zuzu¬
bringen, eine Schale Milch zu trinken und der
lachenden Frau die Haare aufzuloͤſen, ſelbſt wenn
ſie ſchon geflochten waren. Dies that ich aber
nur, wenn ſie ganz allein und keine Stoͤrung zu
befuͤrchten war, ſowie ſie auch nur dann es ſich
gefallen ließ, und dieſe ſtillſchweigende Ueberein¬
kunft der Heimlichkeit lieh dem ganzen Verkehre
einen ſuͤßen Reiz.

So war ich eines Abends, vom Berge kom¬
mend, bei ihr eingekehrt; ſie ſaß hinter dem Hauſe
am Brunnen und hatte ſo eben einen Korb gruͤ¬
nen Salat gereinigt, ich hielt ihre Haͤnde unter
den klaren Waſſerſtrahl, wuſch und rieb dieſelben,
wie einem Kinde, ließ ihr kalte Waſſertropfen
in den Nacken traͤufeln und ſpritzte ihr ſolche
endlich mit unbeholfenem Scherze in's Geſicht,
bis ſie mich beim Kopfe kriegte und ihn auf
ihren Schooß preßte, wo ſie ihn ziemlich derb
zerarbeitete und walkte, daß mir die Ohren
ſauſten. Obgleich ich dieſe Strafe halb und halb

II. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="97"/>
und wohin es fu&#x0364;hren ko&#x0364;nne, wurde mir Gewohn¬<lb/>
heit und Bedu&#x0364;rfniß, daß ich bald ta&#x0364;glich in das<lb/>
Haus hu&#x017F;chte, um eine halbe Stunde dort zuzu¬<lb/>
bringen, eine Schale Milch zu trinken und der<lb/>
lachenden Frau die Haare aufzulo&#x0364;&#x017F;en, &#x017F;elb&#x017F;t wenn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chon geflochten waren. Dies that ich aber<lb/>
nur, wenn &#x017F;ie ganz allein und keine Sto&#x0364;rung zu<lb/>
befu&#x0364;rchten war, &#x017F;owie &#x017F;ie auch nur dann es &#x017F;ich<lb/>
gefallen ließ, und die&#x017F;e &#x017F;till&#x017F;chweigende Ueberein¬<lb/>
kunft der Heimlichkeit lieh dem ganzen Verkehre<lb/>
einen &#x017F;u&#x0364;ßen Reiz.</p><lb/>
        <p>So war ich eines Abends, vom Berge kom¬<lb/>
mend, bei ihr eingekehrt; &#x017F;ie &#x017F;aß hinter dem Hau&#x017F;e<lb/>
am Brunnen und hatte &#x017F;o eben einen Korb gru&#x0364;¬<lb/>
nen Salat gereinigt, ich hielt ihre Ha&#x0364;nde unter<lb/>
den klaren Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;trahl, wu&#x017F;ch und rieb die&#x017F;elben,<lb/>
wie einem Kinde, ließ ihr kalte Wa&#x017F;&#x017F;ertropfen<lb/>
in den Nacken tra&#x0364;ufeln und &#x017F;pritzte ihr &#x017F;olche<lb/>
endlich mit unbeholfenem Scherze in's Ge&#x017F;icht,<lb/>
bis &#x017F;ie mich beim Kopfe kriegte und ihn auf<lb/>
ihren Schooß preßte, wo &#x017F;ie ihn ziemlich derb<lb/>
zerarbeitete und walkte, daß mir die Ohren<lb/>
&#x017F;au&#x017F;ten. Obgleich ich die&#x017F;e Strafe halb und halb<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">II. 7<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0107] und wohin es fuͤhren koͤnne, wurde mir Gewohn¬ heit und Beduͤrfniß, daß ich bald taͤglich in das Haus huſchte, um eine halbe Stunde dort zuzu¬ bringen, eine Schale Milch zu trinken und der lachenden Frau die Haare aufzuloͤſen, ſelbſt wenn ſie ſchon geflochten waren. Dies that ich aber nur, wenn ſie ganz allein und keine Stoͤrung zu befuͤrchten war, ſowie ſie auch nur dann es ſich gefallen ließ, und dieſe ſtillſchweigende Ueberein¬ kunft der Heimlichkeit lieh dem ganzen Verkehre einen ſuͤßen Reiz. So war ich eines Abends, vom Berge kom¬ mend, bei ihr eingekehrt; ſie ſaß hinter dem Hauſe am Brunnen und hatte ſo eben einen Korb gruͤ¬ nen Salat gereinigt, ich hielt ihre Haͤnde unter den klaren Waſſerſtrahl, wuſch und rieb dieſelben, wie einem Kinde, ließ ihr kalte Waſſertropfen in den Nacken traͤufeln und ſpritzte ihr ſolche endlich mit unbeholfenem Scherze in's Geſicht, bis ſie mich beim Kopfe kriegte und ihn auf ihren Schooß preßte, wo ſie ihn ziemlich derb zerarbeitete und walkte, daß mir die Ohren ſauſten. Obgleich ich dieſe Strafe halb und halb II. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/107
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/107>, abgerufen am 23.11.2024.