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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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chen, die ich in ein paar Minuten anfertigte, an¬
gefüllt. Die Verse wurden einer großen Samm¬
lung bedruckter Papierstreifchen entnommen, welche
sie als Ueberbleibsel früher genossener Bonbons
aufbewahrte. Durch diesen Verkehr war ich hei¬
misch und vertraut bei ihr geworden, und, indem
ich immer an die junge Anna dachte, hielt ich
mich gern bei der schönen Judith auf, weil ich
in jener unbewußten Zeit ein Weib für das
andere nahm und nicht im Mindesten eine Un¬
treue zu begehen glaubte, wenn ich im Anblicke
der entfalteten vollen Frauengestalt behaglicher an
die abwesende zarte Knospe dachte, als anderswo,
ja als in Gegenwart dieser selbst. Manchmal
traf ich sie am Morgen, wie sie ihr üppiges
Haar kämmte, welches geöffnet bis auf ihre Hüf¬
ten fiel. Mit dieser wallenden Seidenfluth fing
ich neckend an zu spielen und Judith pflegte bald,
ihre Hände in den Schooß legend, den meinigen
ihr schönes Haupt zu überlassen und lächelnd die
Liebkosungen zu erdulden, in welche das Spiel
allmälig überging. Das stille Glück, welches ich
dabei empfand, nicht fragend, wie es entstanden

chen, die ich in ein paar Minuten anfertigte, an¬
gefuͤllt. Die Verſe wurden einer großen Samm¬
lung bedruckter Papierſtreifchen entnommen, welche
ſie als Ueberbleibſel fruͤher genoſſener Bonbons
aufbewahrte. Durch dieſen Verkehr war ich hei¬
miſch und vertraut bei ihr geworden, und, indem
ich immer an die junge Anna dachte, hielt ich
mich gern bei der ſchoͤnen Judith auf, weil ich
in jener unbewußten Zeit ein Weib fuͤr das
andere nahm und nicht im Mindeſten eine Un¬
treue zu begehen glaubte, wenn ich im Anblicke
der entfalteten vollen Frauengeſtalt behaglicher an
die abweſende zarte Knoſpe dachte, als anderswo,
ja als in Gegenwart dieſer ſelbſt. Manchmal
traf ich ſie am Morgen, wie ſie ihr uͤppiges
Haar kaͤmmte, welches geoͤffnet bis auf ihre Huͤf¬
ten fiel. Mit dieſer wallenden Seidenfluth fing
ich neckend an zu ſpielen und Judith pflegte bald,
ihre Haͤnde in den Schooß legend, den meinigen
ihr ſchoͤnes Haupt zu uͤberlaſſen und laͤchelnd die
Liebkoſungen zu erdulden, in welche das Spiel
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[96/0106] chen, die ich in ein paar Minuten anfertigte, an¬ gefuͤllt. Die Verſe wurden einer großen Samm¬ lung bedruckter Papierſtreifchen entnommen, welche ſie als Ueberbleibſel fruͤher genoſſener Bonbons aufbewahrte. Durch dieſen Verkehr war ich hei¬ miſch und vertraut bei ihr geworden, und, indem ich immer an die junge Anna dachte, hielt ich mich gern bei der ſchoͤnen Judith auf, weil ich in jener unbewußten Zeit ein Weib fuͤr das andere nahm und nicht im Mindeſten eine Un¬ treue zu begehen glaubte, wenn ich im Anblicke der entfalteten vollen Frauengeſtalt behaglicher an die abweſende zarte Knoſpe dachte, als anderswo, ja als in Gegenwart dieſer ſelbſt. Manchmal traf ich ſie am Morgen, wie ſie ihr uͤppiges Haar kaͤmmte, welches geoͤffnet bis auf ihre Huͤf¬ ten fiel. Mit dieſer wallenden Seidenfluth fing ich neckend an zu ſpielen und Judith pflegte bald, ihre Haͤnde in den Schooß legend, den meinigen ihr ſchoͤnes Haupt zu uͤberlaſſen und laͤchelnd die Liebkoſungen zu erdulden, in welche das Spiel allmaͤlig uͤberging. Das ſtille Gluͤck, welches ich dabei empfand, nicht fragend, wie es entſtanden

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/106>, abgerufen am 27.11.2024.