sämmtliche Studien des Junker Felix nachgezeich¬ net und dadurch einige Ausdrucksweise gewonnen, so daß meine Blätter wenigstens ordentlich weiß und schwarz wurden von Stift und Tusche.
Oft, am Morgen oder am Abend, stand ich auf der Höhe über dem tiefen See, wo unten der Schulmeister mit seinem Töchterchen wohnte, oder ich hielt mich auch einen ganzen Tag an einer Stelle des Abhanges auf, unter einer Buche oder Eiche, und sah das Haus abwechselnd im Sonnenscheine oder im Schatten liegen; aber je länger ich zauderte, desto weniger konnte ich es über mich gewinnen, hinabzugehen, da mir das Mädchen fortwährend im Sinne lag und ich des¬ halb glaubte, man würde mir auf der Stelle ansehen, daß ich seinetwegen käme. Meine Ge¬ danken hatten von der feinen Erscheinung Anna's plötzlich so vollständigen Besitz ergriffen, daß ich alle Unbefangenheit ihr gegenüber im gleichen Augenblicke verloren und in beschränkter Uner¬ fahrenheit von ihrer Seite sogleich das Gleiche voraussetzte. Indem ich jedoch mich nach dem Wiedersehen sehnte, war mir die Zwischenzeit und
ſaͤmmtliche Studien des Junker Felix nachgezeich¬ net und dadurch einige Ausdrucksweiſe gewonnen, ſo daß meine Blaͤtter wenigſtens ordentlich weiß und ſchwarz wurden von Stift und Tuſche.
Oft, am Morgen oder am Abend, ſtand ich auf der Hoͤhe uͤber dem tiefen See, wo unten der Schulmeiſter mit ſeinem Toͤchterchen wohnte, oder ich hielt mich auch einen ganzen Tag an einer Stelle des Abhanges auf, unter einer Buche oder Eiche, und ſah das Haus abwechſelnd im Sonnenſcheine oder im Schatten liegen; aber je laͤnger ich zauderte, deſto weniger konnte ich es uͤber mich gewinnen, hinabzugehen, da mir das Maͤdchen fortwaͤhrend im Sinne lag und ich des¬ halb glaubte, man wuͤrde mir auf der Stelle anſehen, daß ich ſeinetwegen kaͤme. Meine Ge¬ danken hatten von der feinen Erſcheinung Anna's ploͤtzlich ſo vollſtaͤndigen Beſitz ergriffen, daß ich alle Unbefangenheit ihr gegenuͤber im gleichen Augenblicke verloren und in beſchraͤnkter Uner¬ fahrenheit von ihrer Seite ſogleich das Gleiche vorausſetzte. Indem ich jedoch mich nach dem Wiederſehen ſehnte, war mir die Zwiſchenzeit und
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ſaͤmmtliche Studien des Junker Felix nachgezeich¬
net und dadurch einige Ausdrucksweiſe gewonnen,
ſo daß meine Blaͤtter wenigſtens ordentlich weiß
und ſchwarz wurden von Stift und Tuſche.
Oft, am Morgen oder am Abend, ſtand ich
auf der Hoͤhe uͤber dem tiefen See, wo unten
der Schulmeiſter mit ſeinem Toͤchterchen wohnte,
oder ich hielt mich auch einen ganzen Tag an
einer Stelle des Abhanges auf, unter einer Buche
oder Eiche, und ſah das Haus abwechſelnd im
Sonnenſcheine oder im Schatten liegen; aber je
laͤnger ich zauderte, deſto weniger konnte ich es
uͤber mich gewinnen, hinabzugehen, da mir das
Maͤdchen fortwaͤhrend im Sinne lag und ich des¬
halb glaubte, man wuͤrde mir auf der Stelle
anſehen, daß ich ſeinetwegen kaͤme. Meine Ge¬
danken hatten von der feinen Erſcheinung Anna's
ploͤtzlich ſo vollſtaͤndigen Beſitz ergriffen, daß ich
alle Unbefangenheit ihr gegenuͤber im gleichen
Augenblicke verloren und in beſchraͤnkter Uner¬
fahrenheit von ihrer Seite ſogleich das Gleiche
vorausſetzte. Indem ich jedoch mich nach dem
Wiederſehen ſehnte, war mir die Zwiſchenzeit und
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/103>, abgerufen am 23.11.2024.
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