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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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rechtigte Person! Was hier an Künstlern und
dergleichen lebt, ist ziemlich entfernt von dem,
was ich mir unter wirklicher Kunst vorstelle, und
ich könnte nie rathen, einem ähnlichen verfehlten
Ziele entgegenzugehen." Dann besann er sich
eine Weile und fuhr fort: "Betrachten Sie mit
Ihrem Sohne die ganze Sache als eine kindische
Träumerei; kann er sich entschließen, sich von
mir in einer unserer Kanzleien unterbringen zu
lassen, so will ich hierzu gern die Hand bieten
und ihn im Auge behalten. Ich habe gehört,
daß er nicht ohne Talent sei, besonders in schrift¬
lichen Arbeiten. Würde er sich gut halten, so
könnte er sich mit der Zeit eben so gut zu einem
tüchtigen Verwaltungsmanne emporarbeiten, als
mancher andere wackere Mann, welcher eben so
von unten angefangen und als armer Schreiber¬
junge in unsere Kanzleien getreten ist. Diese
Bemerkung mache ich übrigens nicht, um irgend
große Hoffnungen zu erregen, sondern nur um
Ihnen zu zeigen, daß der Knabe auch auf diesem
Wege nicht unbedingt an ein dunkles und dürf¬
tiges Loos gebunden ist."

rechtigte Perſon! Was hier an Kuͤnſtlern und
dergleichen lebt, iſt ziemlich entfernt von dem,
was ich mir unter wirklicher Kunſt vorſtelle, und
ich koͤnnte nie rathen, einem aͤhnlichen verfehlten
Ziele entgegenzugehen.« Dann beſann er ſich
eine Weile und fuhr fort: »Betrachten Sie mit
Ihrem Sohne die ganze Sache als eine kindiſche
Traͤumerei; kann er ſich entſchließen, ſich von
mir in einer unſerer Kanzleien unterbringen zu
laſſen, ſo will ich hierzu gern die Hand bieten
und ihn im Auge behalten. Ich habe gehoͤrt,
daß er nicht ohne Talent ſei, beſonders in ſchrift¬
lichen Arbeiten. Wuͤrde er ſich gut halten, ſo
koͤnnte er ſich mit der Zeit eben ſo gut zu einem
tuͤchtigen Verwaltungsmanne emporarbeiten, als
mancher andere wackere Mann, welcher eben ſo
von unten angefangen und als armer Schreiber¬
junge in unſere Kanzleien getreten iſt. Dieſe
Bemerkung mache ich uͤbrigens nicht, um irgend
große Hoffnungen zu erregen, ſondern nur um
Ihnen zu zeigen, daß der Knabe auch auf dieſem
Wege nicht unbedingt an ein dunkles und duͤrf¬
tiges Loos gebunden iſt.«

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[90/0100] rechtigte Perſon! Was hier an Kuͤnſtlern und dergleichen lebt, iſt ziemlich entfernt von dem, was ich mir unter wirklicher Kunſt vorſtelle, und ich koͤnnte nie rathen, einem aͤhnlichen verfehlten Ziele entgegenzugehen.« Dann beſann er ſich eine Weile und fuhr fort: »Betrachten Sie mit Ihrem Sohne die ganze Sache als eine kindiſche Traͤumerei; kann er ſich entſchließen, ſich von mir in einer unſerer Kanzleien unterbringen zu laſſen, ſo will ich hierzu gern die Hand bieten und ihn im Auge behalten. Ich habe gehoͤrt, daß er nicht ohne Talent ſei, beſonders in ſchrift¬ lichen Arbeiten. Wuͤrde er ſich gut halten, ſo koͤnnte er ſich mit der Zeit eben ſo gut zu einem tuͤchtigen Verwaltungsmanne emporarbeiten, als mancher andere wackere Mann, welcher eben ſo von unten angefangen und als armer Schreiber¬ junge in unſere Kanzleien getreten iſt. Dieſe Bemerkung mache ich uͤbrigens nicht, um irgend große Hoffnungen zu erregen, ſondern nur um Ihnen zu zeigen, daß der Knabe auch auf dieſem Wege nicht unbedingt an ein dunkles und duͤrf¬ tiges Loos gebunden iſt.«

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/100>, abgerufen am 04.12.2024.