also auch wohl Göttliche, das in der jungen Menschenseele liegt, nicht in das hanfene, dürr¬ geflochtene Netz eines Katechismus, heiße er wie er wolle, abgefangen würde, die schneidende blutige Kritik des Mannesalters und die wilde¬ sten Kämpfe verhütet würden? Heinrich hegte eine besondere Pietät gerade für die Begriffe Brot und Wein, das Brot schien ihm so sehr die ewig unveränderte unterste Grundlage aller Erden- und Menschheitsgeschichten, der Wein aber die edelste Gabe der geistdurchdrungenen lebens¬ warmen Natur zu sein, daß Nichts ihn so geeig¬ net dünkte zur Feier eines gemeinsamen symbo¬ lischen Mahles der Liebe, als edles weißes Wei¬ zenbrot und reiner goldener Wein. Daher war es ihm auch anstößig, diese wichtigen, aber ein¬ fachen und reinlichen Begriffe mit einer heidnisch¬ mystischen und wie ihm vorkam, widermenschli¬ chen Mischung zu trüben. Auf das Historische des vorhandenen Sacramentes konnte er nun um so weniger Rücksicht nehmen, als ihm die theo¬ logischen Einsichten und Kenntnisse abgingen.
Als die Sonne sich bereits zu neigen anfing,
alſo auch wohl Goͤttliche, das in der jungen Menſchenſeele liegt, nicht in das hanfene, duͤrr¬ geflochtene Netz eines Katechismus, heiße er wie er wolle, abgefangen wuͤrde, die ſchneidende blutige Kritik des Mannesalters und die wilde¬ ſten Kaͤmpfe verhuͤtet wuͤrden? Heinrich hegte eine beſondere Pietaͤt gerade fuͤr die Begriffe Brot und Wein, das Brot ſchien ihm ſo ſehr die ewig unveraͤnderte unterſte Grundlage aller Erden- und Menſchheitsgeſchichten, der Wein aber die edelſte Gabe der geiſtdurchdrungenen lebens¬ warmen Natur zu ſein, daß Nichts ihn ſo geeig¬ net duͤnkte zur Feier eines gemeinſamen ſymbo¬ liſchen Mahles der Liebe, als edles weißes Wei¬ zenbrot und reiner goldener Wein. Daher war es ihm auch anſtoͤßig, dieſe wichtigen, aber ein¬ fachen und reinlichen Begriffe mit einer heidniſch¬ myſtiſchen und wie ihm vorkam, widermenſchli¬ chen Miſchung zu truͤben. Auf das Hiſtoriſche des vorhandenen Sacramentes konnte er nun um ſo weniger Ruͤckſicht nehmen, als ihm die theo¬ logiſchen Einſichten und Kenntniſſe abgingen.
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alſo auch wohl Goͤttliche, das in der jungen
Menſchenſeele liegt, nicht in das hanfene, duͤrr¬
geflochtene Netz eines Katechismus, heiße er wie
er wolle, abgefangen wuͤrde, die ſchneidende
blutige Kritik des Mannesalters und die wilde¬
ſten Kaͤmpfe verhuͤtet wuͤrden? Heinrich hegte
eine beſondere Pietaͤt gerade fuͤr die Begriffe
Brot und Wein, das Brot ſchien ihm ſo ſehr
die ewig unveraͤnderte unterſte Grundlage aller
Erden- und Menſchheitsgeſchichten, der Wein aber
die edelſte Gabe der geiſtdurchdrungenen lebens¬
warmen Natur zu ſein, daß Nichts ihn ſo geeig¬
net duͤnkte zur Feier eines gemeinſamen ſymbo¬
liſchen Mahles der Liebe, als edles weißes Wei¬
zenbrot und reiner goldener Wein. Daher war
es ihm auch anſtoͤßig, dieſe wichtigen, aber ein¬
fachen und reinlichen Begriffe mit einer heidniſch¬
myſtiſchen und wie ihm vorkam, widermenſchli¬
chen Miſchung zu truͤben. Auf das Hiſtoriſche
des vorhandenen Sacramentes konnte er nun um
ſo weniger Ruͤckſicht nehmen, als ihm die theo¬
logiſchen Einſichten und Kenntniſſe abgingen.
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/57>, abgerufen am 25.11.2024.
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