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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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auf der breiten steinernen Treppe, welche fast tem¬
pelartig den ganzen vorderen Sockel bekleidete,
mochte der Ort sein, welchen sonst die alten
Dorflinden bezeichnen; denn eine Gruppe älterer
und jüngerer Männer unterhielt sich hier behag¬
lich, sie schienen zu politisiren; aber ihre Unter¬
redung war um so ruhiger, bewußter und ern¬
ster, als sie vielleicht, dieselbe bethätigend, noch
am gleichen Tage einer wichtigen öffentlichen
Pflichterfüllung beizuwohnen hatten. Die Phy¬
siognomien dieser Männer waren durchaus nicht
national über Einen Leisten geschlagen, auch war
da nichts Pittoreskes, weder in Tracht, noch in
Haar- und Bartwuchs zu bemerken; es herrschte
jene Verschiedenheit und Individualität, wie sie
durch die unbeschränkte persönliche Freiheit erzeugt
wird, jene Freiheit, welche bei einer unerschütter¬
lichen Strenge der Gesetze Jedem sein Schicksal
läßt und ihn zum Schmied seines eigenen Glü¬
ckes macht. So erschienen hier die Einen von
rastloser Arbeit gebräunt und getrocknet, zäh und
hart, Andere in Energie und Gewandtheit auf¬
blühend, Andere wieder von Speculation gefurcht

auf der breiten ſteinernen Treppe, welche faſt tem¬
pelartig den ganzen vorderen Sockel bekleidete,
mochte der Ort ſein, welchen ſonſt die alten
Dorflinden bezeichnen; denn eine Gruppe aͤlterer
und juͤngerer Maͤnner unterhielt ſich hier behag¬
lich, ſie ſchienen zu politiſiren; aber ihre Unter¬
redung war um ſo ruhiger, bewußter und ern¬
ſter, als ſie vielleicht, dieſelbe bethaͤtigend, noch
am gleichen Tage einer wichtigen oͤffentlichen
Pflichterfuͤllung beizuwohnen hatten. Die Phy¬
ſiognomien dieſer Maͤnner waren durchaus nicht
national uͤber Einen Leiſten geſchlagen, auch war
da nichts Pittoreskes, weder in Tracht, noch in
Haar- und Bartwuchs zu bemerken; es herrſchte
jene Verſchiedenheit und Individualitaͤt, wie ſie
durch die unbeſchraͤnkte perſoͤnliche Freiheit erzeugt
wird, jene Freiheit, welche bei einer unerſchuͤtter¬
lichen Strenge der Geſetze Jedem ſein Schickſal
laͤßt und ihn zum Schmied ſeines eigenen Gluͤ¬
ckes macht. So erſchienen hier die Einen von
raſtloſer Arbeit gebraͤunt und getrocknet, zaͤh und
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[39/0053] auf der breiten ſteinernen Treppe, welche faſt tem¬ pelartig den ganzen vorderen Sockel bekleidete, mochte der Ort ſein, welchen ſonſt die alten Dorflinden bezeichnen; denn eine Gruppe aͤlterer und juͤngerer Maͤnner unterhielt ſich hier behag¬ lich, ſie ſchienen zu politiſiren; aber ihre Unter¬ redung war um ſo ruhiger, bewußter und ern¬ ſter, als ſie vielleicht, dieſelbe bethaͤtigend, noch am gleichen Tage einer wichtigen oͤffentlichen Pflichterfuͤllung beizuwohnen hatten. Die Phy¬ ſiognomien dieſer Maͤnner waren durchaus nicht national uͤber Einen Leiſten geſchlagen, auch war da nichts Pittoreskes, weder in Tracht, noch in Haar- und Bartwuchs zu bemerken; es herrſchte jene Verſchiedenheit und Individualitaͤt, wie ſie durch die unbeſchraͤnkte perſoͤnliche Freiheit erzeugt wird, jene Freiheit, welche bei einer unerſchuͤtter¬ lichen Strenge der Geſetze Jedem ſein Schickſal laͤßt und ihn zum Schmied ſeines eigenen Gluͤ¬ ckes macht. So erſchienen hier die Einen von raſtloſer Arbeit gebraͤunt und getrocknet, zaͤh und hart, Andere in Energie und Gewandtheit auf¬ bluͤhend, Andere wieder von Speculation gefurcht

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/53>, abgerufen am 22.11.2024.