Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

wiederholte ich etwas lauter. "Gut, gut, gut!"
sagte er, "Du wirst gewiß noch Einen finden,
der Dir gewachsen ist, einen Stein, der eine
Beule in Deine eiserne Stirne schlägt!" Diese
Worte beleidigten mich und thaten mir weh; denn
sie schienen nicht nur eine arge Verkennung mei¬
nes Wesens zu enthalten, sondern auch eine un¬
gehörige Voraussagung der Zukunft, eine per¬
sönliche Bitterkeit zu sein. Er fuhr fort: "Hast
Du auf dem Wege vorgeschlagen, einen förm¬
lichen Zug zu ordnen und ein Lied zu singen?"
Diese Frage machte mich stutzen, meine Genossen
hatten also mich verrathen und deshalb ohne
Zweifel sich rein gewaschen; ich schwankte, ob ich
nicht läugnen sollte, aber es kam wieder ein Ja
hervor, zumal ich unmöglicherweise denken konnte,
daß Alles auf mich gewälzt werde. "Hast Du
am Hause des Herrn . . . . erklärt, daß Keiner
sich zurückziehen dürfe und dieser Erklärung durch
Bewachung der Thür Folge gegeben?" Das be¬
jahte ich unbedenklich, da es mir weder eine
Schande, noch ein besonderes Vergehen zu sein
schien. Diese beiden Momente, aus den ersten

wiederholte ich etwas lauter. »Gut, gut, gut!«
ſagte er, »Du wirſt gewiß noch Einen finden,
der Dir gewachſen iſt, einen Stein, der eine
Beule in Deine eiſerne Stirne ſchlaͤgt!« Dieſe
Worte beleidigten mich und thaten mir weh; denn
ſie ſchienen nicht nur eine arge Verkennung mei¬
nes Weſens zu enthalten, ſondern auch eine un¬
gehoͤrige Vorausſagung der Zukunft, eine per¬
ſoͤnliche Bitterkeit zu ſein. Er fuhr fort: »Haſt
Du auf dem Wege vorgeſchlagen, einen foͤrm¬
lichen Zug zu ordnen und ein Lied zu ſingen?«
Dieſe Frage machte mich ſtutzen, meine Genoſſen
hatten alſo mich verrathen und deshalb ohne
Zweifel ſich rein gewaſchen; ich ſchwankte, ob ich
nicht laͤugnen ſollte, aber es kam wieder ein Ja
hervor, zumal ich unmoͤglicherweiſe denken konnte,
daß Alles auf mich gewaͤlzt werde. »Haſt Du
am Hauſe des Herrn . . . . erklaͤrt, daß Keiner
ſich zuruͤckziehen duͤrfe und dieſer Erklaͤrung durch
Bewachung der Thuͤr Folge gegeben?« Das be¬
jahte ich unbedenklich, da es mir weder eine
Schande, noch ein beſonderes Vergehen zu ſein
ſchien. Dieſe beiden Momente, aus den erſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0397" n="383"/>
wiederholte ich etwas lauter. »Gut, gut, gut!«<lb/>
&#x017F;agte er, »Du wir&#x017F;t gewiß noch Einen finden,<lb/>
der Dir gewach&#x017F;en i&#x017F;t, einen Stein, der eine<lb/>
Beule in Deine ei&#x017F;erne Stirne &#x017F;chla&#x0364;gt!« Die&#x017F;e<lb/>
Worte beleidigten mich und thaten mir weh; denn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chienen nicht nur eine arge Verkennung mei¬<lb/>
nes We&#x017F;ens zu enthalten, &#x017F;ondern auch eine un¬<lb/>
geho&#x0364;rige Voraus&#x017F;agung der Zukunft, eine per¬<lb/>
&#x017F;o&#x0364;nliche Bitterkeit zu &#x017F;ein. Er fuhr fort: »Ha&#x017F;t<lb/>
Du auf dem Wege vorge&#x017F;chlagen, einen fo&#x0364;rm¬<lb/>
lichen Zug zu ordnen und ein Lied zu &#x017F;ingen?«<lb/>
Die&#x017F;e Frage machte mich &#x017F;tutzen, meine Geno&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatten al&#x017F;o mich verrathen und deshalb ohne<lb/>
Zweifel &#x017F;ich rein gewa&#x017F;chen; ich &#x017F;chwankte, ob ich<lb/>
nicht la&#x0364;ugnen &#x017F;ollte, aber es kam wieder ein Ja<lb/>
hervor, zumal ich unmo&#x0364;glicherwei&#x017F;e denken konnte,<lb/>
daß Alles auf mich gewa&#x0364;lzt werde. »Ha&#x017F;t Du<lb/>
am Hau&#x017F;e des Herrn . . . . erkla&#x0364;rt, daß Keiner<lb/>
&#x017F;ich zuru&#x0364;ckziehen du&#x0364;rfe und die&#x017F;er Erkla&#x0364;rung durch<lb/>
Bewachung der Thu&#x0364;r Folge gegeben?« Das be¬<lb/>
jahte ich unbedenklich, da es mir weder eine<lb/>
Schande, noch ein be&#x017F;onderes Vergehen zu &#x017F;ein<lb/>
&#x017F;chien. Die&#x017F;e beiden Momente, aus den er&#x017F;ten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0397] wiederholte ich etwas lauter. »Gut, gut, gut!« ſagte er, »Du wirſt gewiß noch Einen finden, der Dir gewachſen iſt, einen Stein, der eine Beule in Deine eiſerne Stirne ſchlaͤgt!« Dieſe Worte beleidigten mich und thaten mir weh; denn ſie ſchienen nicht nur eine arge Verkennung mei¬ nes Weſens zu enthalten, ſondern auch eine un¬ gehoͤrige Vorausſagung der Zukunft, eine per¬ ſoͤnliche Bitterkeit zu ſein. Er fuhr fort: »Haſt Du auf dem Wege vorgeſchlagen, einen foͤrm¬ lichen Zug zu ordnen und ein Lied zu ſingen?« Dieſe Frage machte mich ſtutzen, meine Genoſſen hatten alſo mich verrathen und deshalb ohne Zweifel ſich rein gewaſchen; ich ſchwankte, ob ich nicht laͤugnen ſollte, aber es kam wieder ein Ja hervor, zumal ich unmoͤglicherweiſe denken konnte, daß Alles auf mich gewaͤlzt werde. »Haſt Du am Hauſe des Herrn . . . . erklaͤrt, daß Keiner ſich zuruͤckziehen duͤrfe und dieſer Erklaͤrung durch Bewachung der Thuͤr Folge gegeben?« Das be¬ jahte ich unbedenklich, da es mir weder eine Schande, noch ein beſonderes Vergehen zu ſein ſchien. Dieſe beiden Momente, aus den erſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/397
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/397>, abgerufen am 25.11.2024.